Gonorrhöe

[468] Gonorrhöe (v. gr., Med.), 1) eigentlich Spermatorrhöe, Samenfluß, s. Pollution; 2) (Tripper, Blenorrhoea urethrae, Chaudepisse), Entzündung der Schleimhaut der Harnröhre, die Anfangs nur in der kahnförmigen Grube der Eichel ihren Sitz hat, später u. bei längerer Dauer jedoch nach hinten bis in die Gegend der Vorsteherdrüse sich verbreitet. Die G. verkündet sich durch Schmerzen in der Harnröhre bei Druck sowohl als beim Harnen u. bei Erectionen des Gliedes mit Abfluß eines Anfangs dünnen, später eitrig dicklich werdenden Schleimes aus der Harnröhre an. Bisweilen schwill die Vorhaut dabei (Phimosis u. Paraphimosis) die Hoden (Sandkloß) u. die Vorsteherdrüse, u. in heftigen Fällen tritt eine schmerzhafte Krümmung des Gliedes (Chorda) ein u. verschlimmert sich die Entzündung durch öftere Pollutionen noch mehr. Der Verlauf der G. ist gewöhnlich der eines Katarrhes (Harnröhrenkatarrh), u. ist Anfangs zuweilen auch mit Fieber von katarrhalischem od. entzündlichem Charakter verbunden. Durch Vernachlässigung od. schlechte Körperconstitution schleppt sich die Krankheit mit gelinden Zufällen oft sehr lange hinaus als Chronischer Tripper (Nachtripper, G. chronica, G. secundaria), der somit als ein andauernder Ausfluß von Schleim mit Zeichen von Erschlaffung der Schleimhaut bezeichnet werden kann, leicht chronische Anschwellungen der Schleimhaut bedingt u. in deren Folge Harnröhrenverengerung (Gonorrhoische Strictur) bedingt. Den plötzlich durch äußere Einwirkung gestörten Ausfluß (gestopften Tripper) fürchtete man ehedem als sehr gefährlich u. schrieb dieser Ursache mancherlei alsdann eintretende krankhafte Erscheinungen zu, wie Entzündung des unter der Schleimhaut liegenden Zellgewebes mit Versiegen des Ausflusses (G. sicca, Trockene G.), Verkrümmung der Harnröhre (Chorda venerea, G. chordata), Hodenanschwellungen, Vereiterung der Leistendrüsen (Tripperskropheln), Harnröhrenverengerungen, tripperartige Entzündung der Augenbindehaut (Gonorrhoische Augenentzündung, s.d., Augentripper) od. der Kehlkopfschleimhaut mit nachfolgender Verengerung (Gonorrhoische Kehlkopf verengerung, Laryngostenosis gonorrhoica), eine zuweilen erscheinende Form von Gelenkrheumatismus (Gonorrhoische Gicht, Trippergicht), zuweilen bleibt nach G. eine eigenthümliche Schmerzhaftigkeit der Harnröhre (Gonorrhoische Neuralgie) zurück. Selten nur ist die G. syphilitischer Natur[468] (Venerische G., G. virulenta) u. kann nur dann als solche erkannt werden, wenn das Secret auf den Schenkel des Patienten übergeimpft, syphilitische Pusteln erzeugt, u. wenn die Frauensperson, von welcher die G. durch Ansteckung herrührt, Chauker ohne G. hat. Auch bei dem weiblichen Geschlechte kommt eine ähnliche Affection der Harnröhre (G. s. Urethritis feminarum, Weibertripper), wiewohl seltener, vor, nur in gelinderem Grade u. gleichzeitigem entzündlichem Zustande der Nachbartheile, des Scheideneinganges, der Klitoris u. der Nymphen, daher oft mit dem Weißen Flusse verwechselt. Entzünden sich die Drüsen der Eichelkrone, so sondert sich zwischen Vorhaut u. Eichel eiteriger Schleim ab (G. externa, Balanitis, Balanorrhoea, Eicheltripper), wo bei jedoch die Harnröhre frei ist. Die Ursachen der G. können sein: mechanische Reizungen der Harnröhre (Katheter, reizende Einspritzungen, beim Durchgang von Gries u. Blasensteinen, Onanie, Mißbrauch scharfer Diuretica u. Aphrodisiaca, Genuß scharfer Biere etc.), ferner kann die G. manche Krankheiten symptomatisch begleiten, so Nieren- u. Blasenkrankheiten, den Aussatz, die Gicht u. Hämorrhoidalkrankheit. Bei Neigung dazu kann jeder Beischlaf Veranlassung werden, mehr aber noch der Beischlaf mit unreinlichen, menstruirten od. am Weißen Flusse leidenden Weibern. Zuweilen treten syphilitische Geschwüre der Harnröhre (Harnröhrenchanker) anfänglich als G. auf. Die G. ist ansteckend (Trippercontagium), ohne darum syphilitisch zu sein, ebenso wie jeder andere Katarrh (z. B. der Schnupfen) durch Übertragung ansteckt. Früherhin nahm man sogar eine eigenthümliche, von der secundären Syphilis zu unterscheidende Nachkrankheit (die Tripperseuche) an. Die Behandlung der acuten G. ist die eines Katarrhes mit Rücksicht auf die Natur der befallenen Theile, auf die Heftigkeit der Entzündung u. die muthmaßliche Ursache: antiphlogistische, entziehende Diät, Tragen eines Suspensoriums, Reinlichkeit, Vermeidung aller Reizung der Genitalien u. deren Schleimhaut durch Genüsse, welche dem Urin Schädlichkeiten mittheilen, Sitzbäder u. Bähungen des Gliedes. In neuerer Zeit bedient man sich häufig der sogenannten abortiven (stopfenden, unterdrückenden) Trippercur, bestehend in Einspritzungen concentrirter Höllensteinlösungen od. in Einnehmen größerer Dosen von Cubeben od. Copaivbalsam. Die chronische G. od. der Nachtripper verlangt weniger Entziehung u. Mittel, welche specifisch auf die Schleimhäute der befallenen Theile wirken, wie Cubeben u. Copaivbalsameinspritzungen, später Eisen u. andere stopfende Mittel. Vgl. Eisenmann, Der Tripper etc., Erlangen 1830, 2 Bde.; Ricord, Beobachtungen über Syphilis u. Tripper, übersetzt von Eisenmann, Erl. 1836; Fischer, Cur des Trippers, Lpz. 1838; Childs, On gonorrhoea etc., Lond. 1843; Mayer, Considérations pratiques etc., Besançon 1845; Venot, Sur le traitement dit abortif de la blenorrhagie, Bordeaux 1845; Hacker, Die Blenorrhöen der Genitalien, 2. Aufl., Erl. 1850.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 468-469.
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