Mechanik

[41] Mechanik (v. gr.), die Lehre vom Gleichgewicht u. von der Bewegung materieller Körper. Da die Bewegungserscheinungen als Ortsveränderungen unter die äußeren Veränderungen in der Körperwelt[41] zu rechnen sind, so ist die M. ein Theil der Naturlehre od. Physik, welche eben die Gesetze der äußeren Veränderungen in der Natur aufstellt. Weil ferner in der M. mehrfach Größenverhältnisse, namentlich Bestimmung der zurückgelegten Wege, der Geschwindigkeit, der Richtung der Bewegung u. der Intensität der Einwirkung eines durch Bewegung mit einem andern in Berührung kommenden Körpers in Betracht kommen, so bildet die M. einen Theil, u. zwar den ersten u. vornehmsten der angewandten Mathematik. Jede Änderung im Bewegungszustande eines Körpers muß eine Ursache haben, u. diese Ursache nennt man Kraft (s.d.), indem man sie zugleich von dem bewegten od. doch beweglichen Körper, d.h. von dem mit sämmtlich wahrnehmbarer Materie erfüllten Raume, unterscheidet u. der Materie ein Widerstreben gegen irgend welche Änderung in ihrem Bewegungszustande (Trägheit od. Beharrungsvermögen) zuschreibt. Hiernach kommt ein ruhender Körper nie aus seiner Ruhe u. ein sich bewegender ändert niemals die Richtung od. Geschwindigkeit seiner Bewegung, sofern nicht eine Kraft auf ihn einwirkt. Es tritt aber nicht immer, wo Kräfte auf einen Körper wirken, eine Änderung im Bewegungszustande desselben hervor, dann ist aber stets ein Hinderniß vorhanden, nämlich entweder eine od. mehre Kräfte, od. Widerstände. Die letzteren können zwar Bewegungsänderungen verhindern, schon vorhandene Bewegungen verschwinden lassen, wie z.B. die Reibung, der Widerstand der Luft etc., aber sie können nie eine noch nicht vorhandene Bewegung erst hervorrufen. Wenn Kräfte unter sich allein, od. zugleich mit Widerständen auf einen Körper wirken, ohne dessen Bewegungszustand zu verändern, so sagt man, sie halten sich das Gleichgewicht. In diesem Falle äußern die Kräfte nur einen Druck auf den Körper. Die Bedingungen, unter welchen verschiedene Drucke sich das Gleichgewicht halten, untersucht die Statik, od. die Lehre vom Gleichgewicht; wenn aber die Kraft od. die Kräfte den Körper in Bewegung setzen, od. seine Bewegung abändern, so lehrt die Dynamik, od. die Lehre von der Bewegung, die eintretenden Veränderungen u. die in gewissen Zeiten beschriebenen Wege bestimmen. Eine andere Eintheilung der M. ist von dem Zustande der Cohärenz der Körper hergenommen; es handelt die Statik fester Körper (Geostatik) vom Gleichgewichte fester Körper, die Dynamik fester Körper (Geodynamik) von der Bewegung der festen Körper, die Statik flüssiger Körper von dem Gleichgewicht der Flüssigkeiten, die Dynamik flüssiger Körper von der Bewegung der Flüssigkeiten. Die Flüssigkeiten aber zerfallen in tropfbar flüssige u. luftförmige; daher erhält man als Unterabtheilungen der Statik flüssiger Körper die Statik tropfbarer Flüssigkeiten (Hydrostatik) u. die Statik luftförmiger Flüssigkeiten (Aërostatik), u. als Unterabtheilungen der Dynamik flüssiger Körper die Dynamik tropfbarer Flüssigkeiten (Hydrodynamik od. Hydraulik) u. die Dynamik luftförmiger Flüssigkeiten (Aërodynamik od. Pneumatik). Mitunter schickt man der Dynamik die Phoronomie, d.i. die Lehre von der Bewegung eines mathematischen Punktes, voraus. Je nach dem Umfange mathematischer Kenntnisse, welche man bei den Beweisen der Lehrsätze der M. voraussetzt u. anwendet, unterscheidet die niedere od. Elementarmechanik, welche sich unter Anwendung der Elementarmathematik auf die einfacheren u. leichteren Sätze beschränkt; u. die höhere od. analytische, welche mit Hülfe der Differential- u. Integralrechnung die schwierigeren u. feineren Aufgaben in analytischer Manier behandelt. Unter den Anwendungen der theoretischen M. ist die großartigste die Astronomie, sehr wichtig die Maschinenlehre.

Die Menschen haben längst aus Erfahrung von den Grundsätzen der M. Gebrauch zu machen gelernt, ehe diese selbst wissenschaftlich aufgestellt wurde. Ktesiphon u. Metagenes, die Erbauer des Tempels der Diana zu Ephesus, u. die Ägyptier beim Bau der Pyramiden haben sich verschiedener Bewegungsmaschinen bedient; die Theorie der M. aber läßt sich blos bis auf die Griechen zurückleiten; bei diesen lehrte schon Aristoteles, daß die Wirkung der Kräfte einander gleich ist, wenn sich dieselben umgekehrt wie ihre Geschwindigkeiten verhalten. Eigentlicher Begründer der M. als Wissenschaft aber ist Archimedes, bes. durch die von ihm aufgestellte Theorie des Hebels u. des Schwerpunktes, auch durch mehre Erfindungen der praktischen M. Er legte den Grund zur Statik. Nach ihm machten unter den Alexandrinischen Mathematikern bes. Ktesibios u. Heron der Ältere, später Anthemios u. Heron der Jüngere sich um die M. verdient. Bei den Römern machte die M. keine, im Mittelalter wenig Fortschritte. In neuerer Zeit (im 16. Jahrh.) aber bearbeiteten Guido Ubaldi, Marchese del Monte, Tartalea u. Sim. Stevin sie mit Glück; doch wurde vornehmlich durch Galilei ihr neue Bahn gebrochen. Nun bildeten (in der ersten Hälfte des 17. Jahrh.) vornehmlich Torricelli, Borelli in Italien, Roberval, Descartes, Mersenne in Frankreich, Wallis, Wren in England die M. aus, welche Newton dann, indem er sie auf die Bewegung der Weltkörper anwendete (als M. des Himmels), zu ihrem höchsten Gipfel erhob. Von nun an wurde sie, mit Hülfe der Rechnung des Unendlichen, immer mehr erweitert, u. es machten sich bes. Huygens, Leibniz, Jak. u. Joh. Bernoulli, de l'Hopital, Euler u. And. verdient. In neuerer Zeit verdienen in gleicher Hinsicht d'Alembert, Lambert, Lagrange, Laplace (Mécanique céleste), Poisson, Poinsot, Poncelet, Prony, Morin, Eytelwein, Gerstner u. Kästner Bemerkung. Eine neue Seite der wissenschaftlichen Behandlung hat zu Ende des vorigen Jahrh. Kant der M. in seiner Bearbeitung der Metaphysik der Natur abgewonnen. Vgl. Langsdorf, Handbuch der Maschinenlehre, Altenb. 1797, Grundlehren der mechanischen Wissenschaften, Erl. 1802, Erweiterungen derselben, Manh. 1816, u. System der Maschinenkunde, Heidelb. 1826 f., 2 Bde.; F. A. von Gerstner, Handbuch der M., Prag 1831–34, 3 Bde.; J. Weisbach, Lehrbuch der Ingenieur- u. Maschinenmechanik, 3. Aufl. Braunschw. 1855 ff., 3 Bde.; Duhamel, Lehrbuch der analytischen M., deutsch von Schlömilch, 2. Aufl. Lpz. 1858, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 41-42.
Lizenz:
Faksimiles:
41 | 42
Kategorien: