Meteorolŏgie

[188] Meteorolŏgie (v. gr.), Kenntniß der Meteore, d.h. der Änderungen im Zustand der Atmosphäre, der Erscheinungen, welche in derselben ihren Sitz haben, in ihrem gegenseitigen Zusammenhange, ihrer Entstehung u. ihrer Einwirkung auf thierisches u. Pflanzenleben, so wie daraus hervorgehend die Kunst, aus den gegenwärtigen meteorologischen Erscheinungen die nächstzukünftige Witterung vorherzusagen. Die M. ist derjenige Theil der Physik, in welchem noch die meiste Dunkelheit berrscht; dies hat namentlich seinen Grund darin, daß man in der M. nicht im Stande ist, gewisse Erscheinungen von gewissen einfachen u. bekannten Ursachen abhängig hervorzubringen, u. also Versuche anzustellen, wie in der Experimentalphysik; sondern die meteorologischen Erscheinungen eines Orts sind die Wirkungen unzählig vieler gleichzeitig an sehr verschiedenen u. entfernten Orten existirender u. daher dem Beobachter nicht bekannter Bedingungen. Man darf daher nicht von der M. erwarten, daß sie über die anscheinende Zufälligkeit, mit welcher, nach einfacher täglicher Wahrnehmung, die Witterung wechselt, vollen Aufschluß ertheilen u. Bestimmungen darbieten soll, nach denen man mit Sicherheit auf das Eintreten einer gewissen Witterung in einer nächsten Zeit rechnen könnte, u. ebenso wenig darf man blos von einem einzigen Vorgange in der Atmosphäre, z.B. von dem durch das Barometer angedeuteten Wechsel des Luftdrucks, od. einem beobachteten Windzuge, einen Schluß auf eine bevorstehende Witterungsveränderung machen wollen. Irgend ein Resultat der M. ist demnach nur zu erwarten, wenn die meteorologischen Beobachtungen nicht zu einseitig, nicht zu beschränkt, nicht zu abgebrochen angestellt, sondern gleichzeitig u. mit Regelmäßigkeit sowohl die Zustände der Atmosphäre am Beobachtungsorte, z.B. Wärme, Feuchtigkeitszustand, Niederschläge, als auch die Symptome der anderwärts herrschenden Bedingungen, z.B. Windrichtung, Barometerstand beobachtet u. zur allgemeinen Vergleichung aufgezeichnet werden. Zunächst ist hierbei zu berücksichtigen, welchen nächsten Einfluß der, nach dem Wechsel der Jahreszeiten sich verändernde Stand einer Erdgegend gegen die Sonne auf die Witterung jener hat. Durch die Verschiedenheit der an verschiedenen Orten herrschenden Wärme wird eine Ungleichheit der Ausdehnung der Luft u. damit eine Ausgleichung derselben durch Bewegungen in der Atmosphäre, durch Winde herbeigeführt. Da andrerseits wegen der eigenthümlichen Vertheilung des Wassers u. Festlandes auf der Erde die Wärme der Sonnenstrahlen an verschiedenen Orten einen verschiedenen Feuchtigkeitszustand hervorruft, so sind die verschiedenen Windrichtungen für jeden Beobachtungsort wieder Ursache der wechselnden Trockenheit u. Feuchtigkeit, die des hygrometrischen Zustands der Atmosphäre. Dieser, durch Gebirge od. Wälder wieder vielfach modificirt, ist wieder von Einfluß auf die Temperatur, weil immer beim Entstehen od. Niederschlag von Wasserdampf Wärme gebunden od. frei wird[188] u. weil Wolken bald die Erwärmung durch die Sonne, bald die Erkaltung durch Wärmeausstrahlung verhindern. Beim Bilden od. Niederschlagen von Dampf, beim Zusammentreffen von Luftströmen von verschiedener Temperatur, bei der Entwickelung der Vegetation findet ferner Erregung von Elektricität statt, die bei den mehr localen Gewittern u. Hagelschlägen mächtig hervortritt. Demnach sind Temperatur, Barometerstand, Windrichtung u. Windstärke, Feuchtigkeitszustand u. feuchte Niederschläge, atmosphärische Elektricität hauptsächlich Gegenstand der M. Als meteorologische Werkzeuge (Meteoroskope) dienen zur Beobachtung dieser Erscheinungen das Thermometer, Barometer, Anemometer, Hgyrometer, Ombrometer (Regenmesser), Elektrometer. Von den einfachen meteorologischen Andeutungen aber, wie sie die Natur selbst darbietet, dürfen, außer Beobachtungen der Winde (nicht nur aus welcher Gegend sie wehen, sondern auch ihrer Stärke u. der Gleich- u. Ungleichartigkeit derselben, ihrer Dauer od. Veränderlichkeit), auch Bemerkungen der Luftheiterkeit u. Trübung in mancherlei Weise, der verschiedenen Art von Wolkenbildung u. des Wolkenzugs (für Beobachtung der Luftströmungen in den höhern atmosphärischen Regionen etc.), in gut geführten meteorologischen Tabellen, in welchen täglich zu bestimmten Stunden die beobachteten Vorgänge eingezeichnet werden (wobei auch Beobachtungen in der Mitte der Nachtzeit nicht verabsäumt werden sollten), nicht fehlen, eben so aber auch sich bildende Gewitter, nach ihrem Zuge, ihrer Stärke u. Verbreitung, eben so Regen, nach Dauer u. Menge, Hagel, Schnee etc. nicht unbemerkt bleiben. Von allen diesen Beobachtungen aber kann nur dann ein wirklich wissenschaftliches Resultat erwartet werden, wenn in allen cultivirten Staaten über den ganzen Erdkreis gleichförmig meteorologische Beobachtungen mit übereinstimmenden Instrumenten, von gehörig instruirten Personen, mit Sorgfalt u. Genauigkeit angestellt, einander gegenseitig mitgetheilt u. in Übersichten gebracht werden. Ein wichtiger Schritt ist dazu gethan worden durch Dove, der zuerst die gleichzeitigen Beobachtungen von verschiedenen Orten sammelte u. nebeneinander stellte, um daran die Wechselwirkungen dieser Erscheinungen zu studiren. Anstatt nun ferner zwecks der Vorherbestimmung von Witterungsveränderungen für einen Ort der Theorie gemäß eine allgemeine Kenntniß der gleichzeitigen meteorologischen Zustände für einen ausgedehnten umliegenden Landstrich zu postuliren, suchte er die Abweichungen der meteorologischen Elemente von dem Mittelwerthe in ihrem gesetzmäßigen Zusammenhange mit den Winden für die einzelnen Orte empirisch zu ergründen u. jedem Winde seine eigenthümliche Einwirkung zuzuweisen, u. hierin unterscheidet sich namentlich die durch Dove herbeigeführte Epoche der M. von der früheren Humboldts. Während es nämlich Humboldts Verdienst u. Streben war, überall den mittleren Zustand zu erkennen u. die Gesetze der Verbreitung dieser über die ganze Erde zu erforschen, auch dieselben durch die Isothermen (s.d.) u. ähnlichen Linien graphisch darzustellen, betrachtet er die M. gegenwärtig als zweite, erst durch die glückliche Lösung der ersten mögliche Aufgabe, die Abweichungen vom Normalzustande aufzusuchen, um deren Gesetzmäßigkeit zu finden. Ob die gegenwärtigen Hülfsmittel, namentlich die neuerfundenen selbstregistrirenden Instrumente, ob der Gebrauch der elektromagnetischen Telegraphie zur Kenntnißnahme von dem Zustande verschiedener umliegender Orte schon dazu hinreichend sein werden, läßt sich jetzt noch nicht entscheiden. Bisher scheinen als bloße empirische Andeutungen diejenigen, welche die einfache, immer mehres auf einmal überblickende Naturbeobachtung darbietet, noch immer am befriedigendsten zu sein, so: die Zeichen, welche man von Sonnenauf- u. Untergang, von Umnebelung von Bergspitzen, von dem nächtlichen Thau etc., auch von den Äußerungen mehrer Thiere entnimmt, indem diese zugleich beweisen, daß es Einwirkungen in der Atmosphäre gibt, für welche der Mensch keine, wohl aber jene als Meteoroskope dienenden Thiere od. Gegenstände eine Empfindlichkeit besitzen. Außer Humboldt u. Dove haben sich Buch, Kämpff, Kupffer, Kreil u. Maury, große Verdienste um die M. erworben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 188-189.
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