Roßkastanie

[378] Roßkastanie (Aesculus hippocastanum), im nördlichen Persien u. Tibet heimischer, jetzt in Deutschland sehr häufig angepflanzter Baum aus der Familie der Sapindaceae-Hippocastaneae, mit weißen, roth- u. gelbgefleckten, in großen, aufrechten, pyramidalischen Trauben stehenden Blüthen, gefingerten, großen, langgestielten, meistens siebenzähligen, aus klebrigen Knospen Ende Aprils hervorbrechenden Blättern, stachligen, zwei den süßen Kastanien ähnliche, bittere Kerne enthaltenden Früchten, wegen seines schnellen Wuchses, den zierlichen, im Mai aufbrechenden Blüthen, der schönen Belaubung häufig als Zierbaum angepflanzt u. zu Alleen benutzt. Jetzt werden auch mehre nordamerikanische Arten, z.B. die hochrothe (Aesc. rubicunda), welche auch mit scharlachrothen, rosenrothen u. gelben Blüthen variirt, die bleiche (Aesc. pallida), die glatte (Aesc. glabrus) u.a. als Zierbäume angepflanzt. Die von vier- bis sechsjährigen Ästen genommene, von dem Splint befreite, außen rothbraune, oft mit Flechten besetzte, innen weißgelbe od. bräunliche, leichte, zähe, mit kochendem Wasser übergossen einigermaßen gewürzhaft riechende, zusammenziehend, bitterlich, nicht unangenehm schmeckende, mit heißem Wasser einen gelbbraunen, beim Erkalten sich trübenden u. opalisirenden Aufguß gebende Rinde (Cortex hippocastani) hat im äußeren Aussehen u. in ihrer Wirkung einige Ähnlichkeit mit der Chinarinde, ist auch als Surrogat der Chinarinde empfohlen worden, kommt ihr aber, wenn auch als tonisch stärkendes, adstringirendes Mittel schätzbar, doch als Fiebermittel nicht gleich, liefert übrigens ein treffliches, die Eichenrinde u. das Campecheholz ersetzendes Material zur Gerberei u. Färberei u. gibt, mit Essig ausgezogen, eine vorzügliche, Anfangs indigoblaue, auf dem Papier schön schwarz werdende Tinte. Die Früchte (Roßkastanien) geben, geschält u. gepulvert, ein gutes Waschpulver; mit Wasser wie die Kartoffeln behandelt, Stärke, mittelst der Gährung Branntwein u. Essig, geröstet ein Kaffeesurrogat u. sind in der Vieharzneikunde wichtig, dienen auch zum Schweine-, Schaf- u. Rindviehfutter, so wie zur Äsung des Roth- u. Schwarzwildes, können auch allenfalls, wenn ihnen die Bitterkeit benommen ist, zum Brodbacken verwendet werden. Gepulvert erregen sie Nießen u. sind der Hauptbestandtheil von Majos geheimem Nießmittel. Das Mehl der Früchte in Wasser aufgelöst, gibt dem Wasser eine seifige Eigenschaft u. wird daher zum Walken, Bleichen u. Waschen gebraucht. Die halbentwickelten, gewürzhaft bittern Blätter hat man als Hopfensurrogat vorgeschlagen, auch enthalten sie eine schleimige Substanz, welche zum Zurichten der Hüte gebraucht werden kann, u. geben eingeäschert mehr Pottasche, als die irgend eines andern Baumes. Das weiche u. leichte Holz eignet sich, außer zur Heizung, wo es aber als sehr weiches Holz wenig taugt, bes. zu Holzschuhen, auch verkohlt zu Fertigung des Schießpulvers. Vgl. R. Meyer, Die R. u. ihre Benutzung, Quedlinb. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 378.
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