Enghien

[659] Enghien (Louis Antoine Henri von Bourbon, Herzog von), geb. 1772 auf dem prächtigen Schlosse Chantilly, war der Sohn des Herzogs Louis Henri Joseph IV. von Bourbon und der Prinzessin Luise Therese Mathilde von Orleans, einer Schwester des in der franz. Revolution bekannten Orleans-Egalité. Mit seinen Ältern durch die Revolution 1789 aus Paris und Frankreich vertrieben, machte er 1792 den Feldzug in Flandern unter seinem Vater mit und zeichnete sich später unter seinem Großvater, dem Prinzen Condé, als Befehlshaber der Reiterei und durch Menschenfreundlichkeit gegen die Gefangenen aus. Nach dem Frieden von Luneville, 1801, folgte er dem Cardinal Rohan nach Ettenheim im Badenschen, wohin die Liebe für die Prinzessin Charlotte von Rohan-Rochefort ihn zog, mit der er sich zu vermählen gedachte, lebte hier ganz still und beschäftigte sich meist mit der Jagd oder der Pflege seiner Blumen. Im Jahre 1804 hatte aber Bonaparte erfahren, daß die kön. Prinzen mit Pichegru und andern einflußreichen Männern in Frankreich einen Plan entworfen hätten, sich des franz. Throns wieder zu bemächtigen. Da er jene, die nach England geflüchtet waren, nicht erreichen konnte, so beschloß er, den Herzog von E., der so nahe an der franz. Grenze wohnte, ergreifen zu lassen. Man hatte ihm [659] gesagt, er mache oft geheime Reisen und habe den General Dumouriez bei sich. Beides war ungegründet, sowie auch der Herzog persönlich jenen Entwürfen ganz fremd war, obgleich er vielleicht darum wußte. General Caulincourt wurde nach Strasburg geschickt, von wo er die Verhaftung leitete, und General Ordener erhielt den Befehl, dieselbe auszuführen. Dieser ließ durch zwei Gendarmes-Offiziere am 14. März 1804 das Haus des Herzogs auskundschaften und in der folgenden Nacht durch 3–400 franz. Soldaten umzingeln. Als der Herzog den Lärm hörte, sprang er aus dem Bette, griff nach seinem Jagdgewehr und öffnete das Fenster; seine Begleiter entrissen ihm aber die Flinte, weil hier jede Gegenwehr vergeblich sei. Die Gendarmen traten ein, verhafteten ihn mit allen seinen Begleitern und führten ihn fort, ohne ihm Zeit zum Ankleiden zu gestatten. In der Nähe von Ettenheim machte man Halt und erlaubte, daß der Herzog einen Diener nach Wäsche und Geld zurückschickte und brachte ihn dann nach Strasburg, wo er bis zum 18. blieb. Hier trennte man ihn von seinen Begleitern und gestattete ihm nur, seinen Hund, der ihm über den Rhein nachgeschwommen war, mitzunehmen. Auch wurden ihm von seiner Wäsche nur zwei Hemden erlaubt, woraus er sein bevorstehendes Schicksal erkannte. Am 20. März langte er vor den Thoren von Paris an, wo man den Befehl vorfand, den Prinzen nach dem Schlosse Vincennes zu bringen. Hier traf er am 20. März 5 Uhr Abends ein und sank, von Ermüdung erschöpft, alsbald in tiefen Schlaf. Aber schon um 11 Uhr Nachts wurde er geweckt, um vor ein Kriegsgericht geführt zu werden, das auf Bonaparte's Befehl durch Murat, der vergebens Gegenvorstellungen gemacht hatte, aus acht Offizieren zusammengesetzt worden und dessen Präsident General Hulin war. Der Prinz antwortete mit Entschlossenheit, gestand ein, daß er die Waffen gegen Frankreich geführt habe, die Richter aber zögerten, das Todesurtheil auszusprechen und fragten noch einmal bei Bonaparte an, der ihnen den Befehl zurücksandte: »Zum Tode verurtheilt.« Vergebens hatte seine Gemahlin Josephine und seine Stieftochter Hortense für das Leben des Prinzen gebeten. General Savary, der als Befehlshaber der Gendarmes dem Kriegsgerichte beiwohnte, drang auf schleunige Vollziehung. Ohne dem Prinzen die Verurtheilung bekannt zu machen, führte man ihn auf einer Wendeltreppe in den trockenen Graben des Schlosses. »Man will mich doch nicht lebenslang einsperren?« fragte er, »oder bin ich verurtheilt, heimlich hingerichtet zu werden?« – »Nein!« war die Antwort, »beruhigen Sie sich.« Am Richtplatze angelangt, wurde er an den Rand einer Grube gestellt und eine Laterne an seiner Brust befestigt. »Dem Himmel sei Dank!« rief er jetzt aus, »ich werde den Tod eines Soldaten sterben!« Er betete still, schnitt sich eine Locke ab, löste das Bild der Prinzessin von Rohan, das an einer goldenen Kette auf seiner Brust hing und bat, daß Beides mit einem Ringe der Prinzessin zugestellt werde. Ein Soldat war dazu bereit, aber der Offizier verbot es, »denn Niemand dürfe von einem Verräther Aufträge annehmen«, und mit dem Ausrufe: »Wohlan, meine Freunde!« sank E., von mehren Kugeln getroffen, leblos zu Boden, ward angekleidet in die Grube gelegt und diese mit einem Stein bedeckt. Sein treuer Hund legte sich winselnd auf den Grabhügel und konnte nur mit Gewalt entfernt werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 659-660.
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