Aufwandsteuern

[100] Aufwandsteuern (Verbrauchs-, Konsumtions-, Verzehrungssteuern), Steuern, die Personen treffen sollen, die Aufwendungen für persönliche Zwecke machen, sei es, daß die Höhe des Aufwandes auch das Maß der Besteuerung abgibt, oder sei es, daß eine Ausgabe oder eine Benutzung von Gegenständen überhaupt nur als passende Gelegenheit dient, um eine irgendwie bemessene Steuer einzuziehen. Sie werden meist nach den Gegenständen, von denen sie erhoben werden (Zuckersteuer, Biersteuer, Malzaufschlag etc.), bez. auch nach der Erhebungsform (Kesselsteuer, Maischbottichsteuer) benannt. Steuern, die auf im Inland erzeugte und verbrauchte Güter gelegt werden, heißen innere A. oder Akzisen gegenüber den Zöllen, die über die Landesgrenze gehende Waren belasten. Letztere unterscheiden sich von erstern im wesentlichen durch die Erhebungsform, die eine größere Zahl von Gegenständen durch Zölle als durch innere A. zu belasten gestattet. Die A. sind stets nur partielle, d. h. auf eine beschränkte Anzahl von Gegenständen gelegte Steuern und treffen als solche so wohl Güter des Verbrauchs als den Gebrauch von Nutzgegenständen. Nur wenige A. lassen sich auf direktem Wege bei dem Konsumenten einheben, weil die meisten Gegenstände des Verbrauchs, sobald sie einmal in die Hände des Konsumenten übergegangen sind, örtlich allzu zerstreut, unkontrollierbar und unzugänglich sind und ein umständliches, kostspieliges

[100] und wenn ausgiebiges, so doch unerträgliches Erhebungsverfahren nötig machen. Die direkten A. beschränken sich deshalb auf Gegenstände, die öffentlich leicht sichtbar, billig und sicher zu katastrieren und zu kontrollieren sind, wie Wohnungen (Mietsteuer), das Halten von Bedienten, Equipagen, Pferden, Hunden etc., wozu noch die unter dem Titel von Verkehrssteuern oder Gebühren getroffenen mancherlei Güter der Geselligkeit treten (Gesellschaftssteuern, Abgaben von Lustbarkeiten etc.). Die indirekten A. werden unter verschiedenen Formen vom Produzenten (des Rohstoffes oder des fertigen Produkts), vom Händler oder vom Frachtführer in der Absicht erhoben, daß diese Steuerzahler die Steuer durch Zuschlag zum Warenpreis auf den endlichen Konsumenten als Steuerträger überwälzen. Voraussetzung dieser Steuern ist, daß der Bedarf ganz oder vorwiegend verkehrsmäßig und nicht durch Eigengewinnung der Güter gedeckt wird. Kommen bei einer zu besteuernden Güterart beide Formen der Gewinnung vor, so besteuert man entweder nur die in den Verkehr gelangenden Gegenstände, indem man die andern ganz freiläßt (Lizenzen, Schanksteuern), oder man sucht die letztern durch Pauschalierung, Abfindung oder auch wohl auf ähnlichem und gleichem Wege wie jene zu erfassen. Als Erhebungsformen der indirekten A., von denen oft mehrere Arten miteinander verbunden werden, um den Ertrag im ganzen zu sichern, oder um dem Besteuerten freie Wahl zu lassen, kommen vor:


I. Produktionssteuern. Dieselben knüpfen an den Akt der Erzeugung von Rohstoffen, Halbfabrikaten oder fertigen Produkten an und sind:

1) Rohstoff-(Material-)Steuern, wenn sie zu verarbeitenden Materialien (Malz, Rohtabak etc.) als Grundlage der Bemessung dienen. Letztere erfolgt entweder auf direktem Weg, indem Gewicht, Volumen, bez. auch Qualität der erzeugten oder weiter verarbeiteten Materialien direkt ermittelt und danach die Steuer ausgeworfen wird, oder man schließt indirekt aus hierfür brauchbaren Merkmalen, wie Größe der zur Erzeugung verwandten Bodenfläche (Flächensteuer beim Tabak), auch wohl mit Rücksicht auf die Güte des Bodens oder Art, Umfang, Leitungsfähigkeit von Werkvorrichtungen und aus der Betriebsdauer auf die Menge der verbrauchten Rohstoffe.

2) Fabrikationssteuern. Dieselben bemessen die Steuer nach Anhaltspunkten, die das Fabrikationsverfahren bietet, indem aus der Leistungsfähigkeit der Werkvorrichtungen und der Betriebsdauer in Verbindung mit den verwandten Stoffen etc. auf die Menge, allenfalls auch auf die Güte der Erzeugnisse geschlossen wird (so bei der Kesselsteuer, Blasenzins etc.).

3) Fabrikatsteuern. Dieselben werden nach der tatsächlichen Menge der fertigen Produkte bemessen, allenfalls auch mit Rücksicht auf die Güte, bez. auf den Preis.

II. Zirkulationssteuern. Dieselben knüpfen an der Güterumlauf an, bald an Akte des Transports, bald an solche des Handels.

A. Bei den Transportsteuern darf die Verbringung der Waren nur bei Entrichtung der Steuer stattfinden. Solche Transportsteuern sind:

1) die Zölle (s. d.), die als Ein-, Aus- u. Durchfuhrzölle beim Übergang über die Landesgrenze erhoben werden;

2) die innern Aufwandsteuern, die im Anschluß an den Transport von (meist heimischen) Waren im Inland erhoben werden, und zwar als:

a) Oktroi, Torsteuern, Torabgaben, Torakzise, Marktgeld bei der Verbringung in abgeschlossene kleinere Gebiete (Stadt); dieselben sind meist Gemeindesteuern;

b) Versandsteuern, wenn die Steuer vor der Versendung vom Versender gezahlt;

c) Einlagesteuer, wenn sie vor der Verbringung in die Einlegeräume (Keller, Magazin) von dem Empfänger entrichtet wird.

B. Die Handelssteuern werden vom Verkauf und zwar als

1) Großhandelssteuer vom Großhändler, als

2) Detail- oder Verschleißbesteuerung von demjenigen erhoben, der den Verkauf im kleinen an die Konsumenten besorgt.

III. Lizenzen (Lizenzgebühren), eine Art Gewerbesteuer, die bisweilen neben einer oder der andern der genannten Formen vorkommt, werden periodisch (jährlich) für das Recht entrichtet, Gegenstände zu erzeugen oder mit denselben Handel zu treiben. Ihnen ähnlich, wenigstens in Bezug auf Bemessung der Steuer, sind:

IV. Abfindungen (Abonnement, Fixation), welche mit Umgehung der kostspieligen und lästigen speziellen Berechnungen und Kontrollen für eine bestimmte Zeitdauer summarisch festgesetzt werden.

V. Monopolisierung (Regalisierung). Durch dieselbe behält sich der Staat ein ausschließliches Recht zu dem Zweck vor, um, gegen Konkurrenz geschützt, die Preise derartig einseitig bestimmen zu können, daß dieselben einen Überschluß über die Kosten als Steuer abwerfen. Das Monopol kann sich erstrecken auf:

1) die Erzeugung des Rohstoffes (Rohstoffmonopol);

2) die weitere Verarbeitung desselben (Fabrikationsmonopol);

3) den Handel mit Rohstoffen oder fertigen Fabrikanten (Handelsmonopol);

4)auf die gesamte Produktion einschließlich des Verkaufs (volles Monopol).


Welche der genannten Formen den Vorzug verdient, ist jeweilig mit Rücksicht auf die besondern Verhältnisse des zu besteuernden Gutes zu beurteilen, wie Umfang, Art der Gewinnung des Rohstoffs, Verschiedenheiten in Art und Qualität der verwendbaren Rohstoffe und ihrer Surrogate, Veränderlichkeit oder Stetigkeit des Ausbeuteverhältnisses, Stand der Technik, Zahl und örtliche Verbreitung der Produktionsunternehmungen, Verkehrsentwickelung, Brauchbarkeit des Verwaltungspersonals u. dgl. Die Gründe, die für und wider die A. vorgeführt zu werden pflegen, haben meist nur eine relative Bedeutung, indem sie nur für besondere Steuern u. Erhebungsformen gelten. Hierbei kann es sich auch immer nur um einen Vergleich mit denjenigen Steuern handeln, die allenfalls die A. ersetzen müßten.

Zu gunsten der A. wird geltend gemacht, daß die übrigen Steuerarten nicht allen Aufgaben der Besteuerung genügen, nicht hinreichend ergiebig und dabei ungleichmäßig verteilt sind, während die A. dem Interesse der Finanzverwaltung wie dem der Steuerträger entsprechen und eine gleichmäßige Verteilung der Lasten bewirken. Sie werfen einen hohen, mit steigendem Wohlstand zunehmenden Ertrag ab, gehen rasch und sicher ein, ohne weitläufige Umlegungen und kostspielige Katasterwerke erforderlich zu machen oder zu zahlreichen Reklamationen und gewaltsamen Beitreibungen zu führen. Die Erhebung ist dem Publikum aus den Augen gerückt, gibt also weniger Veranlassung zur Unzufriedenheit. Nicht selten haben die A. Verbesserungen der Produktion veranlaßt, die ersonnen wurden, um der Steuer z. T. zu entschlüpfen. Viele A. gestatten, die Belastung der Zahlungsfähigkeit mehr anzuschließen, Einkommen zu erfassen, das sonst frei bliebe, sowohl das von Reichen als auch das der untern Klassen, das sich bei dem heutigen Verkehr der direkten Besteuerung leicht entzieht, als auch endlich dasjenige von Ausländern. Die Steuerentrichtung ist für den Konsumenten sehr bequem. Er zahlt, wenn er leistungsfähig ist, und in kleinen, nicht drückenden Raten. Bei den meisten A. hat der Konsument durch keine der Beschwerden zu leiden, die mit der Erhebung direkter Steuern verknüpft sind, wie Einschätzung, Kontrolle, Verantwortlichkeit etc. Vorzüglich gelten viele[101] dieser Gründe für die einfache und bequemere Erhebungsform des Zolles.

Gegen die A. spricht: Ihr Ertrag ist unbestimmt, schwankend, unfähig, dem Bedarf sich anzuschmiegen, in Notzeiten leicht zu gering, in guten zu hoch und dann ein Reiz für unwirtschaftliche Ausgaben. Die Ausführung der Besteuerung ist nicht selten schwierig und verhältnismäßig teuer, wenn sie ein zahlreiches Beamtenpersonal und langen Steuervorschuß erforderlich macht und nachteilige Störungen der Produktion hervorruft. Wird die Aufwandsteuer nicht direkt empfunden und als Steuer erkannt, so macht sie auch Ausgabenerhöhungen leicht, die bei direkter Besteuerung größere Opposition finden würden. Ist die Zahlung für den Konsumenten bequem, so kann sie für den ersten Zahler um so lästiger sein. Leicht führt die Aufwandsteuer zu ungleichmäßiger Belastung, indem sie einseitige Steuerbefreiungen ermöglicht, oft kleinere Einkommen zu hoch belastet oder auch bei Verwendung verschiedener Rohstoffqualitäten, Bemessung der Rückvergütungen den einen Produzenten begünstigt, dem andern unabwälzbare Lasten auslegt. Je nach der Höhe und der Erhebungsform der A. kann der Großbetrieb begünstigt, die gegebene Ordnung von Verbrauch und Erwerb gestört, die Entwickelung der Technik in eine falsche Richtung gelenkt und endlich ein großer Reiz zu Fälschung, Unterschleif, Bestechung geboten werden.

Diese Übelstände lassen sich meiden oder mindern zunächst durch richtige Auswahl der zu besteuernden Gegenstände. Dieselben sollen bei Einfachheit, Sicherheit und Billigkeit der Veranlagung und Erhebung und bei geringer Belästigung des Verkehrs ausgiebig sein und als Glieder des ganzen Steuersystems eine gleichmäßige Belastung ermöglichen. Die Zahl der sich hierfür bietenden, möglichst allseitig passenden Gegenstände ist nicht groß. Die vornehmsten derselben sind der Tabak, die geistigen Getränke, die anregenden Getränke (Kaffee, Tee, Kakao), dann Zucker, Salz und Leuchtmittel. In erster Reihe kommen die weniger nützlichen oder bei großem Verbrauch schädlichen Artikel zu stehen. Dieselben werden besonders hoch in England getroffen, wo durch wenige, aber ertragreiche Artikel rund ein Viertel der Staatsausgaben gedeckt wird. Die Erhebung der A. müßte dem Zeitpunkt möglichst nahegerückt werden, zu welchem die Ware in die Hand des Konsumenten gelangt. Doch verlangt die Technik der Besteuerung auf der andern Seite wieder, die Gegenstände dann zu fassen, wenn sie in Massen vereinigt in der Fabrik, im Magazin etc. noch beisammen sind. Der Übelstand zu früher Zahlung kann hier durch Zulassung von Steuerkrediten und Teilzahlungen ausgeglichen werden. Der Steuerfuß, der nur auf Grund praktischer Erfahrungen festzusetzen ist, darf nicht zu hoch sein und ist bei den verschiedenen Artikeln und Qualitäten einer angemessenen Steuerverteilung entsprechend abzustufen. Wird ein Artikel durch eine innere Aufwandsteuer belastet, so ist er auch bei der Einfuhr durch einen Zoll zu treffen, der, wenn beijener Kosten u. Belästigungen der Erhebung größer sind, auch entsprechend höher zu bemessen ist. Bei der Ausfuhr oder der Verwendung für technische Zwecke ist die entrichtete Aufwandsteuer zurückzuvergüten. Im zweiten Fall bietet auch die Denaturierung eine geeignete Handhabe für Durchführung einer richtigen Besteuerung. Über die Bedeutung, Gestaltung und Erträge der vornehmsten A. s. die betreffenden Artikel: »Getränke-, Bier-, Wein-, Branntwein-, Tabak-, Zucker-, Salzsteuer«. Literatur s. Steuern.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 100-102.
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