Bötticher

[271] Bötticher, 1) Karl, Archäolog, geb. 29. Mai 1806 in Nordhausen, gest. 21. Juni 1889 in Berlin, widmete sich dem Baufach und bezog 1827 die Bauakademie zu Berlin, wo er 1831 von Beuth als Lehrer an der Dessinateurschule des Gewerbeinstituts angestellt wurde. Als solcher veröffentlichte er seine »Dessinateurschule« (Berl. 1839), neben der er noch »Die Holzarchitektur des Mittelalters« (das. 1835–41) und das »Ornamentenbuch« (das. 1834–44) herausgab. 1832 ward er zum Lehrer an der Akademie der Künste, 1834 an der allgemeinen Bauschule, spätern Bauakademie und 1844 zum Professor ernannt; 1854 wurde er Direktorialassistent der Skulpturengalerie des Berliner Museums, 1868 Direktor und trat 1876 in den Ruhestand. Böttichers Hauptwerk, das lange Zeit als grundlegend für die Kenntnis der griechischen Baukunst galt, durch die neuesten Forschungen aber an Ansehen verloren hat, ist die »Tektonik der Hellenen« (Potsd. 1844–52; 2. Aufl., Berl. 1869–81; vgl. dazu Streiter, Böttichers Tektonik der Hellenen, Hamb. 1896). Von seinen übrigen Schriften sind hervorzuheben: »Der Baumkultus der Hellenen« (Berl. 1857); »Bericht über die Untersuchungen auf der Akropolis in Athen« (das. 1863); »Der Zophoros am Parthenon« (das. 1875) und »Die Thymele der Athena Nike auf der Akropolis von Athen« (das. 1880). Vgl. »Aus dem Leben Karl Böttichers« (Gotha 1890), von Böttichers Gattin Clarissa Lohde-B. (geb. 1836 in Königsberg i. Pr., in zweiter Ehe mit dem Architekten Ludwig Lohde, nach dessen Tod, 1875, mit B. verheiratet), die sich unter dem Namen Clarissa Lohde als Romanschriftstellerin bekannt gemacht hat.

2) Karl Heinrich von, deutscher Staatsmann, geb. 6. Jan. 1833 in Stettin, studierte die Rechte, trat in den Staatsdienst ein, wurde 1865 Hilfsarbeiter im Handelsministerium, trat 1869 in das Ministerium des Innern über und ward 1872 zum Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat ernannt. 1873 ging er als Landdrost nach Hannover, 1876 als Regierungspräsident nach Schleswig; 1879 wurde er Oberpräsident von Schleswig-Holstein. 1867–70 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, ward[271] er 1878 im zweiten schleswig-holsteinischen Wahlkreis zum Reichstagsabgeordneten gewählt, schloß sich der deutschen Reichspartei an und beteiligte sich an den Verhandlungen über die Zollreform als Vertreter gemäßigter Schutzzölle und der Agrarzölle; im September 1880 veranlaßte Bismarck seine Ernennung zum preußischen Staatsminister und Staatssekretär des Reichsamts des Innern. B. entwickelte als Stellvertreter des Reichskanzlers im Bundesrat und Reichstag eine außerordentliche und wirksame Tätigkeit, namentlich für die Durchführung der sozialen Reformen; das Zustandekommen des Alters- und Invalidenversicherungsgesetzes 1889 ist ihm zu danken. An Stelle Puttkamers wurde B. 1. Juli 1888 Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, erhielt als solcher 30. Juni 1897 die erbetene Entlassung und wurde im November mit dem Oberpräsidium der Provinz Sachsen betraut.

3) Paul Anton, s. Lagarde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 271-272.
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