Entwässerung [1]

[842] Entwässerung ist die Ableitung des überschüssigen Wassers aus nassem Boden, bez. die Fernhaltung des den Boden versumpfenden Wassers. Übermäßig feuchter Boden gibt äußerst geringe und stets unsichere Erträge, weil das stauende Wasser den Luft- und damit Sauerstoffzutritt hemmt und zufolge der hohen Wärmekapazität des Wassers die Bodenerwärmung vermindert. Der Boden ist bereits der Trockenlegung bedürftig, wenn infolge anhaltender Nässe die Bestellung desselben nicht rechtzeitig ausgeführt werden kann. Ursache der Versumpfung des Bodens ist entweder Gefällsmangel oder Undurchlässigkeit des Bodens oder beides. Wasser, das sich auf oder im Boden ansammelt und diesen versumpft, kann nur abgeführt werden, wenn ein Rezipient (Vorflut), in der Regel[842] ein entsprechend tiefgelegener Wasserlauf, vorhanden ist, der das in dem Sumpfgebiet angesammelte Wasser aufzunehmen und rechtzeitig abzuführen vermag. Vorwiegend wird das Wasser in einen oberirdischen Rezipienten abgeleitet, man kann es aber auch in eine unterirdische wasserleitende Schicht versenken, falls die Kapazität dieser Schicht größer ist als die zugeführte Wassermenge. Versumpfungen rühren am häufigsten her von Erhöhung der Bach- und Flußbetten durch Sinkstoffe, die von oft unbewaldeten Hängen im Gebiete des Oberlaufs des Flusses herbeigeführt werden; ferner von Flußkrümmungen, die das relative Gefälle vermindern und somit eine Erhöhung des Wasserstandes sowie infolge Verzögerung der Wassergeschwindigkeit eine Sinkstoffablagerung auf der Sohle bewirken. Bei eingedeichten Flüssen nimmt das Binnenland nicht teil an der Erhöhung des Außenlandes, die durch den Niederschlag der Sinkstoffe erfolgt. Demnach verliert das im Deichschutz liegende Gebiet im Laufe der Zeit seine natürliche Vorflut und fällt der Versumpfung anheim. Eine der häufigsten Ursachen der Versumpfung sind ferner Stauanlagen. Jedes Stauwerk, namentlich ein solches bei schwachem Gefälle des Wasserlaufs, veranlaßt Erhöhung des Wasserstandes oberhalb des Wehres, wodurch sehr häufig die Abwässerung des anliegenden Landes unmöglich gemacht wird.

Je nach den angegebenen Ursachen der Versumpfungen kommen folgende Methoden der E. zur Anwendung: 1) Abhaltung des fremden, d.h. des von höhern Gebieten in das Sumpfterrain eintretenden Wassers, das man um einen oder in einem bedeichten Kanal durch die Niederung in den Vorflutrezipienten leitet. 2) Tieferlegung des Wasserlaufs durch Krautung und Baggerung; häufig das einfachste und durchaus zweckentsprechende Mittel zur Beschaffung der Vorflut für ein versumpftes Gebiet. 3) Abhaltung der durch Uferabbrüche und durch Seitenzuflüsse in Gebirgsländern in den Wasserlauf geführten Sinkstoffe mittes Uferdeckungen, Talsperren und ähnlicher Anlagen. 4) Abkürzung stark gekrümmter Wasserläufe mittels Durchstichen, ein Mittel, das aus mehrfachen Gründen nur mit Umsicht angewendet werden darf. Die erzielte Senkung des Wasserstandes macht oft die sehr wünschenswerte Überflutung mittels des befruchtenden Winterhochwassers unmöglich. In diesem Fall empfiehlt sich meist anstatt des Durchstichs 5) die Anlage eines Parallelkanals, der das gesammelte Wasser des Sumpfes aufnimmt und mit geringstem zulässigen Gefälle so weit abwärts geführt wird, bis er das Wasser ohne schädlichen Rückstau in den Vorflutrezipienten einleiten kann. Im Flachland werden derartige Entwässerungskanäle zumeist sehr lang, sie müssen häufig durch fremdes Terrain geführt werden, denen zwar die Servitut der Durchleitung zuerkannt wird, jedoch gegen sehr erhebliche Entschädigung, so daß die Anlage eines Parallelkanals oft höhere Kosten verursacht, als die Melioration Nutzen erwarten läßt. 6) Senkung des Wasserspiegels von Seen. Erhält die Niederung ihre Vorflut direkt oder indirekt in einen See, dessen Wasserspiegel während der Zeit der erforderlichen Trockenlegung zu beträchtliche Höhe zeigt, so sucht man eine Senkung des Seewasserstandes durch Beförderung des Seeabflusses zu bewirten. Das Verfahren richtet sich nach der Ursache des hohen Seestandes. 7) Rührt die Versumpfung von einem Mühlenstau her, der eine zu beträchtliche Erhöhung des Oberwassers zur Folge hat, so ist die Beseitigung oder eine für den vorliegenden Zweck genügende Tieferlegung des Stauwerkes oder die Herstellung von Grundablässen in demselben das sicherste Mittel zur Beschaffung der Vorflut. Auch hier wird die E. oft durch erhebliche Entschädigungskosten unmöglich gemacht. 8) Versenkung des angesammelten Wassers in eine durchlassende Schicht des Untergrundes, falls eine solche in hinreichender Mächtigkeit und mit angemessener Kapazität der Wasserführung in nicht zu beträchtlicher Tiefe zu erreichen ist, durch Versickerungsgruben, Schächte.

Schließlich bleibt noch 9) die Erhöhung des Niederungsgebiets durch Kolmation (s. d.), ein Verfahren, das bei reichlicher Menge von Sinkstoffen in den zur Aufhöhung zu benutzenden Wasserläufen oft, wenn auch erst nach einer längern Reihe von Jahren, sehr gute Erfolge erzielt hat, und endlich 10) die mechanische Hebung des in dem Sumpfgebiet angesammelten Wassers in den höher gelegenen Ableitungskanal. Dieses Mittel hat namentlich an den Ausmündungen der Ströme ins Meer große Bedeutung, wo anderweitige Vorflutbeschaffung ausgeschlossen ist, wie in Holland, an der deutschen Nordseeküste, an der Mündung des Po bei Ferrara. Als Triebkraft für die Wasserhebewerke dient in Holland und an der deutschen Nordseeküste noch vielfach die Windkraft, doch benutzt man jetzt vorwiegend Dampfmaschinen mit Zentrifugalpumpen oder Wurfräder, und auch im Binnenland wird die Dampfmaschine zur E. benutzt, besonders in eingedeichten Niederungen, wenn lange anhaltendes Hochwasser es unmöglich macht, das Binnenwasser auf natürliche Weise abzuführen. – An die Beschaffung der Vorflut schließt sich die Binnenentwässerung an, die durch einen Hauptkanal oder durch ein Netz von Nebenkanälen erfolgt. Deren Richtung bestimmt die Lage des Terrains, während die Anzahl und Profile nach der sorgfältig zu ermittelnden abzuführenden Wassermenge bestimmt werden. Ost gelingt es hierdurch, das Terrain vollständig zu sanieren; zuweilen wird jedoch noch eine lokale Trockenlegung der einzelnen Parzellen durch offene Gräben oder gedeckte Abzüge (s. Drainage) oder durch Rimpaus Dammkultur erforderlich. Vgl. Franzius u. Sonne, Der Wasserbau (3. Aufl., Leipz. 1892 ff.); Perels, Handbuch des landwirtschaftlichen Wasserbaues (2. Aufl., Berl. 1884) und Artikel »Hausentwässerung«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 842-843.
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