Filtrieren

[566] Filtrieren (franz., v. mittellat. filtrum, »Filz«), Trennung einer Flüssigkeit von darin enthaltenen festen, ungelösten Substanzen mittels eines porösen Körpers, dessen Poren der Flüssigkeit, aber nicht den festen Körpern den Durchgang gestatten. Bei der Filtration handelt es sich entweder nur um die Gewinnung einer klaren Flüssigkeit oder um die Gewinnung der ungelösten Substanz oder um beides. Danach gestaltet sich die Ausführung verschieden. Als poröse Körper dienen Papier, Leinwand, Flanell, Filz, Hanf, Werg, Asbest, Bimsstein, Kieselgur, Glaswolle, Schießbaumwolle, Kohle, Sand, Glaspulver, Scherwolle, Torf etc. Bei Anwendung von Geweben nennt man die Operation auch Kolieren. Der poröse Körper heißt Filter, Filtrum, Kolatorium, Seihetuch; die durchgelaufene Flüssigkeit heißt Filtrat, Kolatur, der abgeschiedene feste Körper Filtrationsrückstand. Das F. ist ein rein mechanischer Vorgang, es können deshalb niemals gelöste Stoffe aus einer Flüssigkeit durch Filtration entfernt werden. Wo dies dennoch geschieht, da muß das Filtrum besondere anziehende Kraft auf die gelösten Stoffe ausüben, sie chemisch binden oder sie durch Flächenwirkung zurückhalten. In dieser Weise wirken z. B. die Kohle und auch die Ackererde, die im Drainwasser als Filtrat eine andre Flüssigkeit gibt, als sie empfing. Gewöhnlich benutzt man zum F. weißes, gleichmäßiges, nicht zu dickes und nicht zu dünnes, festes, ungeleimtes Papier (Fließpapier, Filtrierpapier), bisweilen auch weißes wollenes Papier. Für quantitative Analysen, wo der Aschengehalt gewöhnlichen Papiers störend sein würde, wendet man schwedisches Filtrierpapier, das bei Gryksbo und Lesebo mit sehr reinem Quellwasser dargestellt wird, und solches von Schleicher u. Schüll in Düren an. Letzteres wird mit destilliertem Wasser hergestellt und der höchst geringe Aschengehalt durch Auswaschen mit Salzsäure, Fluorwasserstoffsäure beseitigt. Das Papierfiltrum bildet eine kreisförmige Scheibe, wird auf einen Viertelkreis zusammengefaltet und dann so geöffnet, daß nach der einen Seite drei Blätter, nach der andern ein Blatt fällt. Dies Filtrum legt man in einen Glas- oder Porzellantrichter, dessen Wände sich in einem Winkel von 60° (bei großen Trichtern 50°) gegeneinander neigen und in einem scharfen Winkel gegen den Hals absetzen. Das Filtrum darf den Rand des Trichters nicht erreichen und muß an die Trichterwand überall gut anschließen. Zur Beschleunigung des Filtrierens biegt man eine der Seitenkanten des Filtrums dort, wo drei Blätter übereinander liegen, noch einmal etwas um, so daß eine Abrinnfalte entsteht, oder man benutzt Trichter, die innen mit Längsleisten versehen sind, und Porzellantrichter mit durchbrochenen Wänden. Das Sternfilter liegt überall nur einfach, ragt aber in sehr vielen Falten in den Trichter hinein, so daß die Oberfläche stark vergrößert wird, und bildet auch zahlreiche Abflußrinnen. Empfehlenswert sind Faltenfilter mit verhärteter Spitze, auch liefern Schleicher u. Schüll völlig gehärtete Filter, die einen Druck von 2–3 Atmosphären aushalten, die feinsten Niederschläge zurückhalten und wiederholt benutzt werden können. Am kräftigsten wird das F. durch Benutzung des Luftdrucks beschleunigt, indem man den Trichter mittels eines durchbohrten Korkes luftdicht auf eine zweihälsige Flasche setzt und deren zweiten Hals mit einem Aspirator oder einer Wasserluftpumpe verbindet. Je stärker die Luft in der Flasche verdünnt wird, um so schneller wird die Flüssigkeit kraft des Luftdrucks durch das Papier getrieben. Zum Schutz des Filters legt man hierbei einen kleinen Kegel aus Platinblech in die Spitze des Trichters, auch benutzt man runde, siebartig durchlöcherte und am Rand abgeschrägte Filterplatten aus Porzellan oder Platin, die in den Trichter gelegt und mit zwei Scheiben aus starkem Filtrierpapier bedeckt werden. Diese Platten werden auch mit dem Trichter verbunden (Filtertrichter, Filtertiegel). Beim Rutschfilter dient statt des Trichters mit Platte eine flache Schale mit durchlöchertem Boden, die mittels eines Kautschukringes luftdicht in den Deckel eines Glaszylinders eingesetzt wird, der mit der Luftpumpe in Verbindung steht und das Entnehmen einer Probe des Filtrats gestattet. Solche Vorrichtungen sind in vielen Konstruktionen ausgeführt worden (Goochtiegel etc.). Für besondere Zwecke (Milchanalyse) benutzt man entfettetes Filtrierpapier. Um ein Filter beständig gefüllt zu erhalten, benutzt man die Mariottesche Flasche (s.d.). Zum Aufstellen der Trichter dienen Filtriergestelle, auf einem Brett befestigte, aufrecht stehende Stäbe mit einem horizontalen, verstellbaren Arm, der an seiner Spitze durchbohrt ist und hier den Trichter trägt.

In der Technik benutzt man statt des Papiers leinene, häufiger wollene Tücher, die aus gedrehtem [566] Garn gewebt oder durch Filzen hergestellt werden, auch lange, spitz zulaufende Beutel (Spitzbeutel) aus gleichem Material oder aus Filz, auch gewirkte, unten geschlossene Schläuche, die am obern Ende an Rohrstutzen befestigt werden, welche in den Boden eines Kastens eingeschraubt sind. Letzterer nimmt die zu filtrierende Flüssigkeit auf, und das durch die Wandung der frei herabhängenden Schläuche sickernde Filtrat sammelt sich in einem Behälter. Läuft das Filtrat nicht gleich im Anfang völlig klar, so gießt man es vorsichtig zurück, bis sich die Poren des Gewebes so weit verstopft haben. Zum Aufhängen der Kolatorien oder Spitzbeutel dienen Tenakel, aus Holzstäben gebildete Rahmen mit hervorstehenden Nägeln, an denen die Tücher befestigt werden. Seihbottiche haben dicht über dem Boden einen zweiten durchlöcherten Boden, der mit einem Gewebe überspannt ist. Das Filtrat läßt man durch einen zwischen beiden Boden angebrachten Hahn ab. Hier wie bei ähnlichen Vorrichtungen wird die Filtration durch Anwendung von Luftdruck stark beschleunigt. Flüssigkeiten, die Papier zerstören, filtriert man durch gereinigten Asbest, Glaswolle, Schießbaumwolle etc., indem man einen kleinen Bausch dieser Substanz in den Hals des Trichters steckt. Für Stoffe, die bei gewöhnlicher Temperatur fest sind, wendet man Trichter aus Blech mit doppelten Wänden an und gießt zwischen beide Wände heißes Wasser oder leitet Dampf hindurch. Im ersten Falle hat der Trichter einen seitlich abstehenden Ansatz, unter den man eine Spirituslampe stellt, damit das Wasser genügend heiß bleibe. Außerdem wird der Trichter oben mit einem Deckel verschlossen. Steinfilter werden aus künstlichem Bimsstein angefertigt und auf der Drehbank so geformt, daß man den Trichter entbehren kann. Man befestigt auch ein solches Filtrum in einem Glastrichter mit etwas steilern Wänden in der Art, daß die obern Kanten mit einem Kautschukring luftdicht verbunden werden, steckt den Trichter in eine zweihälsige Flasche und beschleunigt die Filtration auf angegebene Weise durch Luftdruck. Sehr vorteilhaft sind Filtriersteine aus durchlässigem Sandstein in Form eines oben offenen, unten geschlossenen Zylinders oder einer Hohlkugel. Dieselben werden in das zu filtrierende Wasser gestellt, das schnell in den Stein eindringt und durch einen Hahn abgelassen werden kann.

Fig. 1. Steinfilter.
Fig. 1. Steinfilter.

a (Fig. 1) ist ein Sandsteinzylinder, eingekittet in den eisernen Deckel b. Der Fuß c besteht ebenfalls aus Eisen, die Seitenwand d aus Weißblech. Die Fugen werden durch die Schraube e gedichtet. Das Wasser tritt unter Druck bei f ein und bei g aus. Die Hähne h und i dienen zur Reinigung des Apparats. Statt des Sandsteins kann man auch Zellen aus gebranntem, nicht glassiertem Ton anwenden. Die Berkefeldfilter bestehen aus starkwandigen, an einem Ende geschlossenen Hohlzylindern aus gebrannter Infusorienerde, in die das zu filtrierende Wasser eindringt. Sie liefern ein sehr reines Wasser, halten auch Bakterien zurück und können leicht gereinigt werden.

Fig. 2. Berkefeldfilter.
Fig. 2. Berkefeldfilter.
Fig. 3. Berkefeldfiltertopf.
Fig. 3. Berkefeldfiltertopf.

Ein Zylinder von 26 cm Länge und 5 cm Durchmesser gibt an einer Wasserleitung bei 2,5 Atmosphären Leitungsdruck etwa 2 Lit. Filtrat in 1 Minute. Fig. 2 zeigt einen einzelnen Berkefeldtrichter an einer Wasserleitung, Fig. 3 deren mehrere in einem Filtertopf. Sie hängen an einem gemeinsamen Einsatzstück, jedes für sich abgedichtet, das Filtrat tritt durch das gemeinsame Abflußrohr aus u. kann wieder auf die gewünschte Höhe gedrückt werden. Bei dem Breierschen Mikromembranfilter wird ein seines Metallnetz mit Asbest dicht belegt und dadurch eine dünne Filterschicht mit außerordentlich seinen Poren erhalten.

Fig. 4. Großes Wasserfilter.
Fig. 4. Großes Wasserfilter.

Claassen benutzt eine Hirnholzplatte (Pappel, Linde, Erle, Weiß- und Rotbuche), die in einem metallenen Gehäuse lust- und wasserdicht befestigt wird und zum Betriebe nur geringen Druckes bedarf. Verunreinigungen dringen in die Platte nicht ein, und sie kann daher sehr leicht gereinigt werden. Sie eignet sich zum F. von Wasser und andern Flüssigkeiten. Ole läßt man vorteilhaft zunächst durch eine Schicht von gewaschenen Koks fließen. Für technische Zwecke lassen sich mehrere Zylinder zu einem Filter vereinigen.

Fig. 5. Filter aus plastischer Kohle.
Fig. 5. Filter aus plastischer Kohle.

Loses Filtriermaterial, wie Scherwolle und Schwammabfälle, verpackt man fest zwischen zwei Siebböden, Sand, Kohle etc. schichtet man übereinander und zwar so, daß die gröbern Unreinigkeiten zunächst von gröberm Material aufgefangen werden und das Wasser zuletzt das feinste Material durchdringt. Bei dem Filter Fig. 4 tritt das Wasser[567] unten ein, steigt in der Richtung der mit a bezeichneten Pfeile durch Schwamm auf- und dann durch Schichten von Wolle, Sand, Kohle, Kies abwärts. Zur Reinigung schließt man den innern Zylinder und läßt das Wasser durch A in der Richtung der mit m bezeichneten Pfeile strömen. Sehr praktisch sind die aus gepreßter (fälschlich plastisch genannter) Kohle gefertigten Filter. Man legt z. B. ein solches Filter von Halbkugelform (Fig. 5, S. 567) in einen mit Wasser gefüllten Eimer und benutzt einen an dem Kohlenkörper angebrachten Kautschukschlauch als Heber. Das Wasser dringt hier, wie bei den Steinfiltern, in die Kohle ein und gelangt aus dieser in den Schlauch, durch den es abfließt. Für Wasserwerke benutzt man als Filtriermaterial ausschließlich Sand und Kies, die in großen Bassins in mehreren Schichten übereinander ausgeschüttet werden. Zum Abscheiden der Flüssigkeit aus schlammartigen Mischungen dienen die Filterpressen (s.d.). Von manchem Filtriermaterial verlangt man eine absorbierende Wirkung auf gelöste Stoffe. Dies gilt besonders von der Knochenkohle, die in gekörntem Zustand in hohe Zylinder gepackt wird und z. B. aus filtrierendem Rübensaft Salze und Farbstoffe aufnimmt, zugleich aber auch ungelöste, den Saft trübende Teilchen zurückhält. Vgl. Krüger, Die Filter für Haus und Gewerbe (Wien 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 566-568.
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566 | 567 | 568
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