Gordon [1]

[132] Gordon (spr. górd'n), altes schottisches, 1684 zur Herzogswürde erhobenes Geschlecht, kam vielleicht mit Wilhelm dem Eroberer nach England und besaß später die Baronie Gordon in der schottischen Grafschaft Berwick. Die Hauptlinie erlosch mit Adam G., Baron von Huntley, der in der Schlacht von Homildon 1402 fiel, worauf der Name auf dessen Schwiegersohn Sir Alexander Seton überging. Die jetzigen Grafen von Aberdeen führen ihren Ursprung auf einen Seitenzweig zurück, dessen Ahnherr Patrick G. unter [132] Jakob I. von Schottland lebte. Die namhaftesten Mitglieder des Geschlechtes sind:

1) George G., Graf von Huntley, geb. 1514, gest. 1562, wurde 1535 Geheimrat und, als Jakob V. zu seiner Vermählung nach Frankreich ging, einer der Reichsregenten Schottlands. Nach des Königs Tode suchte er die Vermählung der Königin Maria Stuart mit Eduard VI. von England zu verhindern, ward 1546 Großkanzler von Schottland und bot als solcher alles auf, die protestantische Lehre in Schottland zu unterdrücken. Als er sich später, mit Marias Halbbruder, dem Grafen von Murray, tödlich verfeindet, in Umtriebe gegen die Regierung einließ, ward er 1562 pei Corrichie von Murray überwältigt und getötet. Sein zweiter Sohn, George G., Graf von Huntley, 1565 Großkanzler, kämpfte während Marias Abwesenheit in England tapfer für die Sache der unglücklichen Königin und starb 1576.

2) Patrick, geb. 31. März 1635, gest. 29. Nov. 1699, verließ 1651 Schottland und trat in schwedische, polnische und 1661 in russische Dienste. Er zeichnete sich in den Feldzügen gegen die Türken aus, war längere Zeit Kommandant von Kiew, wurde 1687 General und gewann seit 1689 hohen Einfluß auf Peter d. Gr., dessen Heere er mit Lefort auf europäische Art ausbildete, und dessen Bemühungen, die Alleinherrschaft zu gewinnen, er kräftig unterstützte. Im Türkenkrieg 1696 leitete er als Feldmarschall die Operationen und nahm die Festung Asow. Während Peters erster Reise Gouverneur von Moskau, unterdrückte er den Aufstand der Strelitzen. Sein Tagebuch haben der Fürst Obolenski und Posselt (Mosk. 1849–53, 3 Bde.) herausgegeben. Vgl. Brückner im »Historischen Taschenbuch«, 1879.

3) Alexander, Neffe und Schwiegersohn des vorigen, gest. 1752, diente anfangs in der französischen Armee, ging 1693 nach Rußland und ward Oberst. In der Schlacht von Narwa (1700) geriet er in schwedische Gefangenschaft, in der er acht Jahre lang blieb. 1711 kehrte er als Generalmajor nach Schottland zurück. Er schrieb eine »Geschichte Peters d. Gr.« (Aberdeen 1755, 2 Bde.; deutsch von Wichmann, Leipz. 1765, 2 Bde.).

4) Lord George, geb. 26. Dez. 1751 in London, gest. 1. Nov. 1793, dritter Sohn des Herzogs Cosmus George von G., diente anfangs in der Marine, verließ aber während des amerikanischen Freiheitskriegs den Seedienst und ward 1774 Mitglied des Unterhauses. Als durch die Akte von 1778 den Katholiken größere Freiheiten zugestanden wurden, trat er an die Spitze einer protestantischen Assoziation und rief durch seine Agitation im Juni 1780 nicht unerhebliche Unruhen in London hervor. Infolgedessen wurde G. des Hochverrats angeklagt, jedoch 1781 freigesprochen, weil es nicht bewiesen werden konnte, daß er das Volk zu Exzessen aufgemuntert habe. 1786 nahm er sich Cagliostros an und veröffentlichte Schmähartikel gegen Marie Antoinette von Frankreich. Um diese Zeit soll er zum Judentum übergetreten sein. Wegen seiner Angriffe gegen die Königin von Frankreich und die britischen Justizbehörden angeklagt, floh G. nach Amsterdam, wurde aber nach England zurückgeschickt und 1788 zu fünfjährigem Gefängnis in Newgate verurteilt, wo er starb. Sein Leben beschrieb Rob. Watson (1795).

5) George, fünfter Herzog von, geb. 2. Febr. 1770 in Edinburg, ward 1807 Peer, 1819 britischer General und 1827 Großsiegelbewahrer von Schottland, ein eifriger Orangist. Mit ihm erlosch 28. Mai 1836 die männliche Linie der Herzoge von G. Der Titel Herzog von G. wurde 1876 zugunsten des sechsten Herzogs von Richmond, jetzt Herzogs von Richmond und G., erneuert.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 132-133.
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