Hermes Trismegistos

[221] Hermes Trismegistos, griech. Bezeichnung für den Mondgott der alten Ägypter, Thout oder Thoth, der in Hermopolis als Stadtgott verehrt wurde, dargestellt als Ibis oder Hundskopfaffe oder als Mensch mit Ibiskopf. Als Mondgott ist Thout zugleich der Gott der Zeit und der Zeitabschnitte, da diese sich nach dem Mondlauf richten, sodann der »Messer«, der Gott des Maßes. Er repräsentiert überhaupt die gleichmäßige Ordnung der Welt, er ist der ihr innewohnende Geist der Ordnung und der Gesetzmäßigkeit. So wird er der Vertreter des Geistes überhaupt und insbes. der Schutzgott aller irdischen Gesetze. Zugleich gilt er als Gott der Intelligenz, als Anordner der gottesdienstlichen Gebräuche, als Lehrer der Künste[221] und Wissenschaften, als Erfinder von Sprache und Schrift, als Schutzherr der Bibliotheken. Alle Schrift der Ägypter wird auf Thout zurückgeführt, und ihre Werke über die verschiedenen Wissenschaften, wie Mathematik, Astronomie, Medizin, Tonkunst etc., bezeichnen die Griechen daher als Hermetische Bücher. Thout H. gilt auch für den Erfinder der Alchimie und der Magie, woher der Name Hermetische Kunst für Alchimie stammt, und zwar sollen diese Wissenschaften anfangs nur als Geheimlehre vom Lehrer auf die Schüler fortgepflanzt worden sein, deren Reihenfolge man die Hermetische Kette nennt. In der Unterwelt zeichnete Thout beim Totengericht das Ergebnis der letzten Aburteilung über den Verstorbenen auf und trat auch als dessen Anwalt auf. Als die Griechen den Thout kennen lernten, identifizierten sie ihn mit ihrem Hermes und gaben ihm den Beinamen Trismegistos (»der dreimal große«). Bei den Spätern, den Euhemeristen, Neuplatonikern und Christen, galt H. für einen alten Weisen oder ägyptischen König, der die Menschen belehrt und geheimnisvolle Bücher verfaßt habe. Es entstanden auch durch Vermischung griechischer und ägyptischer Anschauungen eine Anzahl Schriften voll Mystik und Aberglauben, die ihm zugeschrieben wurden und teilweise noch erhalten sind. Auch bei den Syrern und Mohammedanern fanden diese griechischägyptischen Anschauungen Eingang und haben sich bei ihnen in mehrfachen Fassungen und vermengt mit andern Traditionen lange erhalten. Unter den erwähnten Schriften ist besonders »Poëmander, s. de potestate ac sapientia divina« (neu hrsg. von Parthey, Berl. 1854; übersetzt von Tiedemann, das. 1781) hervorzuheben; andre finden sich in J. L. Idelers »Physici et''medici graeci«, Bd. 1 (das. 1841); eine französische Übersetzung der meisten Stücke gab Ménard (»Hermès Trismégiste«, 2. Aufl., Par. 1868). Vgl. außerdem Baumgarten-Crusius, De librorum hermeticorum origine atque indole (Jena 1827); Hilger, De Hermetis Trismegisti Poëmandro (Bonn 1855); Pietschmann, Hermes Trismegistos (Leipz. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 221-222.
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