Nationalverein, Deutscher

[446] Nationalverein, Deutscher, politischer Verein, der aus einer auf Veranlassung des hannoverschen Abgeordneten R. v. Bennigsen 17. Juli 1859 in Eisenach abgehaltenen Versammlung mehrerer sogen. Gothaer (s. d.) hervorging und auf einer zweiten Zusammenkunft in Eisenach 14. Aug. sein Programm aufstellte: die einheitliche Gestaltung Deutschlands unter preußischer Hegemonie sowie eine dem entsprechende Reform der Bundesverfassung mit einer deutschen Nationalvertretung ward angestrebt. Er breitete sich rasch aus, da die Ereignisse während des italienischen Krieges die politische Zerfahrenheit Deutschlands dargelegt hatten und die Schillerfeier 10. Nov. 1859 der nationalen Begeisterung einen mächtigen Aufschwung gab. Bereits im Herbst d. J. organisierte sich der Verein als D. N.; der Sitz des Ausschusses war Koburg, sein Organ die »Wochenschrift des Nationalvereins« (hrsg. von A. L. v. Rochau, Koburg 1860–65). Die Zahl seiner Mitglieder betrug 1864: 21,000, seine Einnahme 25,000 Gulden jährlich. Die preußische Regierung verhielt sich von Anfang an sehr kühl, fast ablehnend und verlor das Vertrauen der Nationalgesinnten, als 1862 der Verfassungskonflikt ausbrach. Die demokratischen Elemente erlangten bald das Übergewicht, die gesammelten Flottenbeiträge wurden nicht mehr an die preußische Regierung abgeliefert; ja, 1863 versuchte der N. sogar, gegen Preußen aufzutreten, indem er in der schleswig-holsteinischen Frage ein eignes Programm aufstellte, sich zu dessen Durchführung mit seinem Gegner, dem deutschen Reformverein (s. Großdeutsch), verband und im Dezember 1863 den Sechsunddreißiger-Ausschuß bildete. Es wurde auch beschlossen, daß erst ein allgemeines deutsches Parlament über den künftigen Träger der Zentralgewalt in Deutschland entscheiden solle; Bismarcks Bundesreformvorschläge wurden verworfen. Die Ereignisse von 1866 machten den N. überflüssig; er löste sich im Herbst 1867 in Frankfurt a. M. förmlich auf. Die angesammelten Flottengelder wurden dem Verein für Rettung Schiffbrüchiger übergeben. Vgl. Schwab, Der deutsche Nationalverein, seine Entstehung und sein Wirken (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 446.
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