Nearktische Region

[481] Nearktische Region (westliche gemäßigte Region, hierzu Tafel »Nearktische Fauna«), tiergeographische Region, umfaßt Nordamerika von der südlichen Grenze der arktischen Zirkumpolarregion an bis Mexiko und den Golf von Mexiko, wo sie ohne scharfe Grenze an die neotropische Region (s. d.) stößt, die zahlreichen nordamerikanischen Brutvögeln als Winteraufenthalt dient (s. das Kärtchen beim Art. »Tiergeographie«). Gegen die Zirkumpolarregion ist die Grenze durch die des Baumwuchses gegeben, doch gehört die eine oder andre Tierart, z. B. Moschusochs, Elch oder Moostier, beiden Regionen an. Der nördlichste Teil besitzt ausgedehnte Nadelwälder, der südliche die weiten Prärien, im Felsengebirge ein steiniges, dürres und fast waldloses Hochplateau; ein großer Teil der Region ist in Kultur genommen, wodurch die Existenzbedingungen und mit ihnen der Charakter der Tierwelt vielfach geändert wurde. Das Klima ist im ganzen gemäßigt, doch kann die Temperatur im Innern des Festlandes sehr tief sinken. Die großen Ebenen sind gewaltigen Stürmen (Blizzards) günstig. In Kalifornien dagegen, in Georgien, Louisiana und Florida verleiht das Klima der Tierwelt des Landes einen annähernd subtropischen Charakter. Charakteristisch für die n. R. ist das Überwiegen der Flüsse und Seen und eine dadurch sehr mannigfaltige Süßwasserfauna. Die Ähnlichkeit der äußern Bedingungen mit denen der paläarktischen Region ergibt auch teilweise eine solche der Tierwelt, so daß selbst die gleichen Arten in der Alten und Neuen Welt sich finden, viele Gattungen und Familien identisch sind und sehr häufig naheverwandte Familien in ihrem Vorkommen in der Alten und Neuen Welt sich vertreten. Besonders gilt dies für die Säugetiere, während die Vogelfauna durch die Verwandtschaft mit derjenigen der neotropischen Fauna abweichender ist. Die n. R. zerfällt in vier Subregionen, die kanadische, östliche, zentrale und westliche Subregion. Die kanadische Subregion umfaßt den ganzen Norden des Kontinents, von der Zirkumpolarregion bis zur Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten und das Gebiet der großen Seen; sie ist die Heimat der Pelztiere; Biber, Zobel, Luchs, Fuchs, Eichhörnchen werden hier gejagt. Von den Vögeln spielen die Waldhühner (Fig. 15) die Hauptrolle. Die Gewässer beherbergen den Lachs. Die östliche oder Alleghany-Subregion beginnt südlich von den großen Seen und erstreckt sich westlich bis zu den Vorgebirgen des Felsengebirges und den westlichen Vereinigten Staaten, östlich bis zum Atlantischen Ozean, südlich bis zum Golf von Mexiko. Sie enthält die größte Anzahl der nearktischen Tiere. Unter den im ganzen denen der paläarktischen Region sehr ähnelnden Säugetieren sind die Insektenfresser durch besondere Gattungen vertreten. Im Süden kommen neotropische Formen hinzu, so die Stinktiere (Mephitis, Fig. 9). Charakteristisch sind der Waschbär (Procyon, Fig. 1) und das Borstenschwein (Erethizon, Fig. 2). Die Vögel zeigen zum Teil die gleichen Familien wie in der paläarktischen Region, so z. B. Sperlinge und Finken, teils finden sich vikarierende Familien, die der Region und speziell der Subregion eigen, aber mit paläarktischen Familien verwandt sind, so die neuweltlichen Geier (Fig. 10), die Stärlinge, die Blauvögel (Fig. 12), der Spottvogel (Mimus, Fig. 11); eine sehr charakteristische, eigentlich neotropische Familie, die aber einzelne Arten weiter nördlich sendet, sind die Kolibri (Fig. 13), und ferner hat der Truthahn (Fig. 14) in der östlichen Subregion seine Heimat. Von den zahlreich vertretenen Reptilien findet sich im Mississippi der Alligator; Schildkröten, Eidechsen und Schlangen sind sehr artenreich; besonders zu erwähnen sind die Klapperschlangen (Fig. 16) sowie die Mokassinschlange (Trigonocephalus, Fig. 17) in sumpfigen Gegenden des östlichen Nordamerikas. Charakteristische Amphibien sind die Menopoma von den südlichen Vereinigten Staaten, der Aalmolch (Amphiuma, Fig. 19) von Florida, Siren aus den Sümpfen von Carolina und der bekannte Axolotl (Fig. 20), der auch in andern Teilen der Region vorkommt. Die Süßwasserfische sind durch eine große Anzahl eigentümlicher Arten und durch nicht weniger als fünf eigentümliche Familien charakterisiert, von denen besonders die Schlammfische (Amidae) und Knochenhechte (Lepidosteidae) zu erwähnen sind. Den gleichen Artenreichtum wie die Fische zeigen die Süßwassermollusken, besonders die Unioniden. Die Insekten sind der europäischen Insektenwelt ähnlich, jedoch ebenfalls wie die Vögel mit neotropischen Formen vermischt. Die zentrale Subregion oder die Subregion des Felsengebirges umfaßt den Höhenzug der Rocky Mountains und die südöstlich davon gelegenen Prärien; ihre Fauna ist demgemäß ein Gemisch von Gebirgs- und Steppenfaunen. Bewohner des Felsengebirges sind das Bergschaf (Ovis montana, Fig. 3) und die Berg- oder Schneeziege (Haplocerus americanus, Fig. 4). In den Ebenen finden sich als charakteristische Arten die Gabelantilope (Fig. 5), mit der Schneeziege die einzige Vertreterin der Antilopen in der Neuen Welt, der Büffel (Fig. 6) und der Präriehund (Fig. 7) nebst der Taschenratte. In den Vorbergen des Felsengebirges lebt ein gewaltiger Hirsch, der Wapiti. Die Vogelwelt schließt sich derjenigen der östlichen Region an, und auch diese Subregion bildet vielfach den Winteraufenthalt für südlichere Faunen. Von Reptilien ist die Krötenechse (Phrynosoma, Fig. 18) bemerkenswert. Die westliche oder kalifornische Subregion umfaßt den schmalen Landstrich westlich des Felsengebirges von Vancouver Island bis zur Halbinsel Kalifornien. Obwohl engbegrenzt, ist sie die am schärfsten unterschiedene Subregion der nearktischen Region und besitzt eine ganz eigne Fauna; als Charaktertiere sind zu nennen der Grislybär (Ursus ferox, Fig. 8) und ein Insektenfresser (Urotrichus), der seine Verwandten auf der andern Seite des Stillen Ozeans, in Japan, findet. Unter den Geiern ist der kalifornische Geier bemerkenswert, unter den Reptilien die Familie der Wickelschlangen. In allen Gruppen des Tierreiches macht sich, besonders im Süden der Subregion, bereits ein Einfluß der benachbarten neotropischen Region, speziell mexikanischen Subregion geltend.[481]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 481-482.
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