Rochen

[37] Rochen (Rajidae, Batoïdeï), Gruppe der Fische aus der Ordnung der Quermäuler, Fische mit plattem Körper, fast immer mit dem Vorderende des Schädels verbundenen großen Brustflossen, dünnem, langem, häufig mit Dornen, selten mit einem oder zwei gezähnelten Stacheln bewaffnetem Schwanz, auf der obern Fläche stehenden Augen und Stirnlöchern, auf der Bauchfläche mit fünf Kiemenspalten und dem Munde, dessen kurze, dicke Kiefer kleine, pflasterförmige, in Reihen geordnete Kegelzähne oder breite, tafelförmige Zahnplatten tragen. Die Haut ist nackt oder chagrinartig rauh, auch wohl mit größern, in hakige Spitzen auslaufenden Knochenplatten bedeckt. Die R. leben im Meere, seltener in großen Strömen und sind in den Tropen sehr artenreich. Sie schwimmen in schiefer Stellung, nähren sich von Fischen, Krustentieren und Weichtieren und legen Eier (Seemäuse) oder gebären lebendige Junge. Zur Familie der Hairochen (Pristidae Gthr.), deren langgestreckter, haifischähnlicher Leib mit einem dicken, fleischigen Schwanz endet, und deren Brustflossen vom verlängerten Kopf deutlich abgesetzt sind, gehört der Sägefisch (s. d.). Die Zitterrochen (Torpedinidae Bon., s. Tafel »Entwickelungsgeschichte I«, Fig. 7) haben einen nackten, vorn abgerundeten Körper, zwei, eine oder keine Rückenflosse, eine dreieckige Schwanzflosse, hinter den Brustflossen stehende Bauchflossen und zwischen Kopf, Kiemen und dem innern Rande der Bauchflossen einen elektrischen Apparat, mit dem sie willkürlich heftige elektrische Schläge zur Betäubung ihrer Beute und ihrer Feinde austeilen können. Hierher gehören der Augenrochen (Torpedo ocellata L., s. Tafel »Aquarium I«, Fig. 35), 1,25–1,5 m lang, 25–30 kg schwer, oberseits graubraun oder rotgelb, mit 1–7 hellblauen Augenflecken, oft auch weiß getüpfelt, unterseits weißgrau, und der Marmelrochen (T. marmorata Riss., s. Tafel »Fische I«, Fig. 1), 1,5 m lang, 25–30 kg schwer, oberseits braun, bräunlich und weiß gemarmelt, unterseits weißgrau, wie der vorige mit zwei Rückenflossen auf dem Schwanz und spitzen Zähnen; beide leben im Mittelmeer und im Atlantischen Ozean und gebären 8–14 lebendige Junge. Im Altertum wandte man die Berührung des Rochen (also die elektrische Erschütterung) gegen Kopfschmerz und Podagra an. Die ältere Literatur über Zitterrochen hat Du Bois-Reymond in seiner Dissertation (Berl. 1843) zusammengestellt. Bei den eig entlichen R. (Rajidae Gthr.) ist die Körperscheibe breit, rhombisch, meist rauh oder mit Stacheln besetzt, die Schnauze kielartig verlängert, die Brustflossen reichen von der Schnauze bis zu den in Lappen geteilten Bauchflossen, die beiden Rückenflossen sind gegen die Spitze des dünnen, stachellosen Schwanzes gerückt, der nur eine kleine Endflosse trägt, das Männchen besitzt an der Brustflosse, namentlich während der Laichzeit, scharfe Dornen. Die zahlreichen Arten sind über alle Meere verbreitet und legen Eier. Der Nagelrochen (gemeiner Stachelrochen, Keulenrochen, Raja clavata L., s. Tafel »Fische I«, Fig. 2), über 1,5 m, im S. bis 4 m lang und 200 kg schwer, mit langem Schwanz, im Alter auf Rücken- und Bauchseite mit großen Dornen besetzt, oberseits braun, heller gefleckt, unterseits weiß, lebt im Sand und Schlamm an allen europäischen Küsten, auch in der Ostsee, legt 6,8 und mehr viereckige, mit kurzen Anhängseln versehene Eier und wird in großer Menge gefangen und frisch verzehrt oder eingesalzen. Die Haut wird in Frankreich wie Hausenblase zum Klären benutzt. Der Glattrochen (Flete, R. Batis L.), über 1 m lang und 50 kg schwer, mit spitziger Schnauze, glatthäutig, nur vor und hinter dem Auge und am Schwanz mit Dornen, oberseits dunkel olivengrün, bisweilen weiß gefleckt, unterseits dunkelgrau, schwärzlich überspritzt, bewohnt die Nordsee. Diese R. wurden früher vom Aberglauben stark ausgebeutet, durch Verzerren des Leibes und Trocknen in die abenteuerlichste Form gebracht und als »Drachen« oder »Basilisken« benutzt. Die Stechrochen (Trygonidae M. Hle.) haben vor dem Kopf zusammenstoßende Brustflossen, einen langen, peitschenförmigen, oft ohne Flosse endenden Schwanz mit einem oder mehreren seitlich gezahnten Stacheln. Von den zahlreichen, über alle Meere verbreiteten Arten ist der gemeine Stechrochen (Feuer- oder Giftflunder, Trygon Pastinaca L.) etwa 1 m lang, 5–6 kg schwer, oberseits gelblichschwarz, unterseits schmutzig weiß und findet sich in allen europäischen Meeren, besonders häufig im Mittelmeer. Er lebt in der Nähe der Küsten, schnellt, wenn er angegriffen wird, den Stachel mit großer Kraft und Schnelligkeit gegen den Feind und erzeugt[37] eine höchst schmerzhafte Wunde. Das harte, fette Fleisch wird hier und da gegessen; die Leber liefert Tran, und der Stachel dient zu Pfeilspitzen. Zu derselben Familie gehören die Hornrochen oder Meerteufel (Dicerobatis Blainv.), von denen einzelne Arten 7 m lang und 9 m breit werden. D. Giornae Gthr., 1,5 m lang, mit dreimal längerm Schwanz, oben dunkelbraun, an den Seiten ölgrün, unterseits weiß, lebt im Mittelmeer, kommt im Sommer an die Küsten. Das Weibchen legt lange, gelbliche Eier; das Fleisch ist wenig geachtet, aus der Leber gewinnt man Tran. Zur Familie der Adlerrochen (Myliobatidae), bei denen die sehr breiten Brustflossen unterbrochen sind, so daß der Kopf weit vortritt und der Schwanz mit einem Stachel versehen ist, vor dem eine Rückenflosse sitzt, gehört der Meeradler (Meerdrache, Myliobatis Aquila Gthr.), der bis 1,5 m lang und 12 kg schwer, oben dunkelbraun, an der Seite etwas heller, unterseits schmutzig weiß ist und sich im Mittelmeer und Atlantischen Ozean findet. Mit seinem Stachel verwundet er sehr bedenklich, so daß es in Italien verboten ist, Tiere mit Stachel auf den Markt zu bringen. Das Fleisch ist wenig schmackhaft, die Leber gilt als Leckerbissen. Manche Arten dieser Familien sollen eine ungeheure Größe erreichen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 37-38.
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