Du Bois-Reymond

[242] Du Bois-Reymond (spr. dübŭa-rämóng), 1) Emil, Physiolog, geb. 7. Nov. 1818 in Berlin, gest. daselbst 26. Dez. 1896, studierte in Berlin seit 1837 Theologie,[242] wandte sich aber sehr bald den Naturwissenschaften zu. Nachdem er sich 1838 in Bonn vorzugsweise mit Geologie beschäftigt hatte, widmete er sich unter Johannes Müllers Leitung in Berlin der Anatomie und Physiologie und begann 1841 seine Untersuchungen über tierische Elektrizität. Die ersten Ergebnisse seiner Studien enthalten die Arbeiten »Über den sogen. Froschstrom und die elektromotorischen Fische« (in Poggendorffs »Annalen«, 1843) und »Quae apud veteres de piscibus electricis extant argumenta« (Berl. 1843); eine vollständige Darlegung seiner weitern epochemachenden Arbeiten enthalten die »Untersuchungen über tierische Elektrizität« (das. 1848–84, 2 Bde.). 1855 wurde er außerordentlicher und 1858 als Müllers Nachfolger ordentlicher Professor der Physiologie an der Universität und 1867 beständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften. 1877 erstand unter seiner Leitung das neue physiologische Institut in Berlin. D. zählt zu den Hauptvertretern der physikalischen Richtung in der Physiologie, durch welche die Lehre vom Vitalismus endgültig überwunden wurde. Er schrieb noch: »Über tierische Bewegung« (Berl. 1851); »De fibrae muscularis reactione ut chemicis visa est acida« (das. 1859); »Beschreibung einiger Vorrichtungen und Versuchsweisen zu elektrophysiologischen Zwecken« (das. 1863); »Über das Barrenturnen und über die sogen. rationelle Gymnastik« (das. 1862); »Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik« (Leipz. 1875–77, 2 Bde.). Nach seinem Tod erschienen noch »Vorlesungen über die Physik des organ ischen Stoffwechsels« (Berl. 1900). Von seinen zahlreichen Festreden und Vorträgen (gesammelt hrsg. Leipz. 1885–87, 2 Bde.) sind zu erwähnen: »Gedächtnisrede auf Joh. Müller« (1860), »Voltaire in seiner Beziehung zur Naturwissenschaft« (1868), »Über Universitätseinrichtungen« (1869), »Über den deutschen Krieg« (1870), »Leibnizsche Gedanken in der neuern Naturwissenschaft« (1870), »Über die Grenzen des Naturerkennens« (1872, 8. Aufl. 1898; aus dieser Arbeit stammt das oft zitierte »Ignorabimus«), »Über eine Akademie der deutschen Sprache« (1874), »La Mettrie« (1875), »Darwin versus Galiani« (1876), »Der physiologische Unterricht sonst und jetzt« (1878), »Kulturgeschichte und Naturwissenschaft« (1878), »Friedrich II. und J. J. Rousseau« (1879), »Die sieben Welträtsel« (1880, 4. Aufl. 1898), »Über die Übung« (1881), »Darwin und Kopernikus« (1881), »Über die wissenschaftlichen Zustände der Gegenwart« (1882), »Chamisso als Naturforscher« (1882), »Goethe und kein Ende« (1883), »Maupertuis« (1893), »Gedächtnisrede auf H. Helmholtz« (1897). Auch gab er Sachs' »Untersuchungen am Zitteraal« (Leipz. 1881) und 1857–77 mit Reichert das von Joh. Müller gegründete »Archiv für Anatomie etc.«, seitdem allein, das »Archiv für Physiologie« heraus.

2) Paul, Mathematiker, Bruder des vorigen, geb. 2. Dez. 1831 in Berlin, gest. 7. April 1889 zu Freiburg i. Br., studierte in Zürich Medizin, dann in Königsberg Physik und Mathematik und promovierte 1859 in Berlin mit einer Abhandlung: »De aequilibrio fluidorum«. Mehrere Jahre war er Lehrer am Friedrichwerderschen Gymnasium in Berlin, habilitierte sich 1865 als Privatdozent für Mathematik in Heidelberg, wurde 1870 Professor in Freiburg i. Br., 1874 in Tübingen, 1884 an der Technischen Hochschule in Berlin. Seine Arbeiten beziehen sich besonders auf die Integration der partiellen Differentialgleichungen und die Fourierschen Reihen. Er schrieb: »Beiträge zur Interpretation der partiellen Differentialgleichungen mit drei Variabeln« (Leipz. 1864); »Neue Lehrsätze über die Summen unendlicher Reihen« (Berl. 1870); »Die allgemeine Funktionentheorie« (1. Teil, Tübing. 1882; franz. von Milhaud und Girot, Par. 1888); »Über die Grundlagen der Erkenntnis in den exakten Wissenschaften« (aus dem Nachlaß, Tübing. 1890). Vgl. Weberin den »Mathematischen Annalen«, Bd. 35, S. 457.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 242-243.
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