Zinzendorf

[952] Zinzendorf, Nikolaus Ludwig, Graf von, Stifter der evangelischen Brüdergemeine (s. d.), geb. 26. Mai 1700 in Dresden, gest. 9. Mai 1760 in Herrnhut, ein Patenkind Speners, wurde nach dem frühen Tode seines Vaters, der kursächsischer Konferenzminister war, in der Lausitz bei seiner frommen und gelehrten Großmutter erzogen und kam im 10. Jahr in das Waisenhaus zu Halle unter A. H. Franckes besonderer Aussicht. Aber erst in Wittenberg, wo er seit 1716 die Rechte, daneben Theologie studierte, wurde er entschiedener Pietist. Seit 1721 Hofrat bei der Landesregierung in Dresden, erstrebte er religiöse Belebung des Volkes; im Mittelpunkt stand die Lehre vom Gekreuzigten, konfessionelle Unterschiede traten zurück, Kirchenunion wurde erstrebt und vollzogen in der Brüdergemeine, die nach Aufnahme mährischer Emigranten in Herrnhut entstand; daneben war der Missionsgedanke herrschend (Heiden- und Judenmission). Da ihm 1727 das Halten von Hausgottesdiensten untersagt wurde, trat er aus dem Staatsdienst aus und ließ sich 1734 unter angenommenem Namen in Stralsund als Kandidat des Predigtamtes prüfen, dann zu Tübingen in den geistlichen Stand aufnehmen und 1737 in Berlin zum Bischof der Mährischen Brüdergemeinen ordinieren. Von 1736 bis 1747 aus seinem Vaterlande wegen seiner »Neuerungen« verbannt, ging er zunächst in die Wetterau, nahm seinen Sitz in Ronneburg und gründete zwei Gemeinden in Marienborn und Herrnhaag. Später war er auf Reisen in Europa, Westindien und Nordamerika für die »Heilandsreligion« tätig, nächst öffentlichen Vorträgen, die er hielt, fast immer mit Korrespondenzen und Bücherschreiben beschäftigt, bewundernswert in seinem nie ermattenden Liebeseifer. Er verfaßte 108 religiöse Schriften (ein Verzeichnis derselben erschien Stettin 1824), darunter seine »Sammlung geistlicher und lieblicher Lieder« (neueste Ausgabe von H. Bauer und G. Burkhardt, Leipz. 1900) und das Gesangbuch der Gemeinde in Herrnhut von 1735. Vermählt war er seit 1722 mit Erdmute Dorothea, Gräfin Reuß von Ebersdorf, die ebenfalls geistliche Lieder dichtete (mit ihrer Biographie hrsg. von Ledderhose, Gütersl. 1887), und nach ihrem Tode seit 1757 mit Anna Nitschmann, Chorpflegerin der ledigen Schwestern in Herrnhut; auch sie ist als Liederdichterin bekannt. Vgl. A. G. Spangenberg (s. d. 1), Leben des Grafen von Z. (Barby 1772–75, 8 Tle.); Varnhagen von Ense, Biographische Denkmale, Bd. 5: Graf Ludwig von Z. (Berl. 1830); A. Ritschl, Geschichte des Pietismus, Bd. 3 (Bonn 1886); B. Becker, Z im Verhältnis zu Philosophie und Kirchentum seiner Zeit (Leipz. 1886, 2. Ausg. 1900); J. Th. Müller, Z. als Erneuerer der alten Brüderkirche (Gnadenfeld 1900); Th. E. Schmidt, Zinzendorfs soziale Stellung etc. (Basel 1900); H. Römer, N. L. Graf v. Z., Leben und Wirken (Gnadan 1900); Steinecke, Z. und der Katholizismus (Halle 1902); H. M. v. Nes, De Graaf van Z. (Nijkerk 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 952.
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