Spener

[713] Spener, Philipp Jakob, der Stifter des Pietismus, geb. 13. Jan. 1635 zu Rappoltsweiler im Oberelsaß, gest. 5. Febr. 1705 in Berlin, studierte in Straßburg Theologie, war 1654–56 Informator zweier[713] Prinzen aus dem Hause Pfalz-Birkenfeld und besuchte seit 1659 die Universitäten Basel, Genf und Tübingen. In Genf trat er zu Labadie (s. d.) und damit zum reformierten Pietismus in Beziehung. Aber sein Interesse galt damals mehr der Heraldik; seine »Historia insignium« (1680) und »Insignium theoria« (1690) begründeten später in Deutschland die wissenschaftliche Behandlung dieser Disziplin. 1663 ward S. Freiprediger in Straßburg, 1664 daselbst Doktor der Theologie, 1666 Senior der Geistlichkeit in Frankfurt a. M. In dieser Stellung begann er, durchdrungen von dem Gefühl, daß man in Gefahr stehe, das christliche Leben über dem Buchstabenglauben zu verlieren, seit 1670 in seinem Hause Versammlungen zum Zweck der Erbauung (collegia pietatis) zu halten, die 1682 in die Kirche verlegt wurden. Seine reformatorischen Ansichten vom Kirchentum sprach er aus in seinen »Pia desideria«, oder »herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche« (Frankf. 1675) und in seiner »Allgemeinen Gottesgelahrtheit« (das. 1680), wozu später noch seine »Theologischen Bedenken« (Halle 1700–02, 4 Bde.) kamen. Der große Streit über den Pietismus (s. d.) war schon entbrannt, als S. 1686 Oberhofprediger in Dresden wurde. Bald ward er persönlich darin verwickelt, als er gegenüber dem Hamburger Prediger Mayer und dessen Genossen seine Freunde in Schutz nahm. 1695 entbrannte der Kampf zwischen S. und dem Pastor Schelwig in Danzig, der jenem nicht weniger als 150 Häresien vorwarf. Unterdessen aber war S. mit der theologischen Fakultät in Leipzig und später auch mit dem Kurfürsten Johann Georg III., dem er als Beichtvater in einem Briefe Vorstellungen wegen seines Lebenswandels gemacht, zerfallen und hatte 1691 einen Ruf als Propst und Inspektor der Kirche zu St. Nikolai und Assessor des Konsistoriums nach Berlin angenommen, wo er seine Wirksamkeit unter fortdauernden Angriffen der orthodoxen Lutheraner fortsetzte. Leider fehlte es ihm an Energie, um sich scharf gegen die Ausschreitungen seiner Gesinnungsgenossen, insbes. gegen die Visionen und Offenbarungen des pietistischen Frauenkreises in Halberstadt, auszusprechen. Während die 1694 gestiftete Universität Halle ganz unter seinem Einfluß stand, ließ die theologische Fakultät in Wittenberg 1695 durch den Professor Deutschmann 264 Abweichungen Speners von der Kirchenlehre zusammenstellen, und S. gelang es nicht, durch seine »Aufrichtige Übereinstimmung mit der Augsburger Konfession« die Gegner zu beschwichtigen. Eine neue Ausgabe seiner Hauptschriften besorgte Grünberg (Gotha 1889). Vgl. Hoßbach, Philipp Jakob S. und seine Zeit (3. Aufl., Berl. 1861, 2 Bde.); Ritschl, Geschichte des Pietismus, Bd. 2 (Bonn 1884); Grünberg, Philipp Jakob S. (Göttingen 1893–1906, 3 Bde., mit Bibliographie).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 713-714.
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