Wilkes [1]

[229] Wilkes (spr. Uilkis), 1) John, geb. 17. Octbr. 1727 in London, studirte in Leyden u. wurde 1754 für Aylesbury ins Parlament gewählt, machte aber hier kein Aufsehen. Um seine gestörten Vermögensverhältnisse wiederherzustellen, verschaffte ihm Lord Temple die Stelle als Commandant der Miliz in Buckingham. Nach der Thronbesteigung Georgs III. wurde W. der erklärte Gegner des Ministeriums Bute, welches er seit 1762 in heftigen Flugschriften angriff, so wie er in der Zeitschrift Nord Briton die Politik des Hofes tadelte u. selbst die Person des Königs nicht schonte. Deshalb verfolgt, ging er nach Frankreich, wo er wegen eines Duells eingesperrt wurde. Nach seiner Rückkehr nach England fuhr er fort mit seinen Schmähschriften, weshalb er aus dem Parlament gestoßen u. von der Regierung verurtheilt wurde. Er ging wieder nach Frankreich, lebte dort liederlich u. kehrte 1768 bei einer neuen Parlamentswahl zurück. Aber zum zweiten, dritten u. vierten Mal gewählt, wurde er stets vom Parlament zurückgewiesen u. auf Lord Mansfields Betrieb eingekerkert, bis wieder eine neue Wahl erfolgte u. er freigelassen ward. So wechselte sein Leben zwischen Triumphen u. Kerker. Aber dies steigerte nur seine Popularität, so daß er 1772 zum Sheriff u. 1774 sogar zum Lordmayor von London gewählt wurde; er trat nun auch wieder in das Parlament, erhielt 1779 von der Stadt London das Kämmereramt u. st. 6. December 1797. W. wurde von Ein. für den Verfasser der Briefe des Junius (s.d. S. 186) gehalten. Almon gab die Correspondence of W. (Lond. 1805, 5 Bde.) heraus. 2) Charles, geb. 1805 im Staate New York, trat 1818 in die Marine der Vereinigten Staaten, avancirte bald zum Offizier u. erhielt 1836 als Capitän das Commando einer Expedition zur Erforschung des Stillen u. Antarktischen Oceans u. der Nordwestküste von Amerika. Er trat dieselbe 1838 an, umschiffte Cap Hoorn, ging nach dem Südpolarmeer, entdeckte dort einen Continent (welcher von 120° bis 180° östl. Länge [von Ferro] reicht u. nach ihm Wilkesland genannt wurde), von da nach Singapore, Borneo u. den Sandwichsinseln, untersuchte die Küste von Oregon u. Californien u. kehrte im Juni 1842 nach New York zurück. Eine auf dieser Reise ausgebrochene u. nur durch seine große Energie unterdrückte Meuterei der Mannschaft zog ihm nach der Heimkehr eine Anklage wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt zu, unter welcher er vor ein Kriegsgericht gestellt, aber von diesem freigesprochen wurde. Die Veröffentlichung der von ihm im Südpolarmeer gemachten Entdeckungen führten zu einem Streit mit den englischen Hydrographen, welche die Priorität dieser Entdeckungen für James Roß in Anspruch nahmen u. W. der Fälschung beschuldigten. Später wurde jedoch der Werth seiner Forschungen von England aus selbst anerkannt. Von 1845 an stationirte er längere Zeit an der Westküste von Amerika u. lebte darauf in New York, ohne von der amerikanischen Regierung wieder eine Anstellung zu erhalten, obgleich er 1855 durch Anciennetät zum Capitän zur See avancirte. Erst nach Ausbruch des Secessionistenkrieges im J. 1861 erhielt er als Anhänger der Union wieder ein Commando u. übernahm den Befehl über die an der afrikanischen Küste befindliche Kriegscorvette San Jacinto, um dieselbe zur Verstärkung der Blockade der südstaatlichen Häfen nach Amerika zurückzubringen. Mit dieser stieß er am 8. November 1861 im Kanal von Bahama auf den englischen Postdampfer Trent, an dessen Bord sich die Gesandten der Conföderirten Staaten Mason u. Slidell befanden, um nach Europa zu gehen; W. nahm sie dort mit Gewalt fest u. brachte sie gefangen nach New York Diese Handlung rief als eine Verletzung des Rechtes der neutralen Flagge in England eine große Entrüstung hervor u. führte zu einer Spannung u. zu langen diplomatischen Verhandlungen, welche mit der Freilassung der beiden Gesandten endigten. Er schr.: Narrative of the Exploring Expedition to the Pacific, New York 1845, 5 Bde., n.A. ebd. 1856 (deutsche Auszüge daraus: Die Entdeckungsexpedition der Vereinigten Staaten in den Jahren 1838–42 von Charles W., Stuttg. 1850, 2 Bde., u. Das westliche Amerika nebst Californien u. Oregon, Baireuth 1850).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 229.
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