Morgen (Adv.)

Morgen (Adv.).


1. Auf morgen spare nicht, was du heute thun kannst.Körte, 4297.

Frz.: Ce que tu peux faire au matin n'attens vespres ni lendemain. – N'attendre pas à faire au vespre ce que tu pués faire au matin. (Leroux, II, 190 u. 266.)


2. Das schlimme Morgen und lange Borgen hat viel zur Höll gebracht.Sutor, 545.


3. Der morn äs wä der hekt (heute). (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 775.


4. Es wird morgen wieder Tag, sagt der Faulenzer. (Schweiz.) – Hoefer, 268.


5. Für morgen soll man nicht sorgen.

Holl.: Wilt niet zorgen voor den dag van morgen. – Zorg voor heden, niet voor morgen. (Harrebomée, II, 104a.)


6. Ich kann erst morgen kommen, sagte der Bauer zum Fleischer, als er Schlachtvieh zu Markt bringen sollte, der Personenzug nimmt keine Ochsen mit.


7. Kombt morgen tag, so kombt auch Rhat.Lehmann, 803, 13.


8. Man muss nicht auf morgen verschieben, was man heute thun kann.

Dies Sprichwort steht unter den zehn Geboten, die sich der im Jahre 1826 verstorbene Präsident der Vereinigten Staaten Nordamerikas, Thomas Jefferson, als Lebensregeln aufgestellt hatte, als erstes obenan. Die übrigen neun, von denen einige ebenfalls sprichwörtlichen Charakter besitzen oder mit deutschen Sprichwörtern sinnverwandt sind, lauten: »Mit dem, was du selbst thun kannst, bemühe nie andere. Verfüge nie über Geld, ehe du es hast. Kaufe nie unnütze Sachen, weil sie billig sind. Hochmuth kostet mehr als Hunger, Durst und Kälte. Man bereut nie, zu wenig gegessen zu haben. Nichts ist mühsam, was man willig thut. Oft verursachen jene Uebel, die nie eintraten, Kummer und Sorgen. Betrachte alles von der guten Seite. Wenn du zornig bist, so zähle zehn, ehe du sprichst, bist du sehr zornig, so zähle hundert.« (Allgemeine Modenzeitung, Leipzig 1870, Nr. 41, S. 651.)

Frz.: Ne renvoie pas au lendemain ce qui peut être fait aujourd'hui. (Cahier, 150.)

Holl.: Stel niet tot morgen uit, wat gij heden doen kunt. (Harrebomée, II, 104a.)


9. Man soll nicht auf morgen verschieben, was man heute thun kann, sagte das Mädchen, und ass den Kuchen sogleich, den sie geschenkt erhalten hatte.


10. Moren gät (geht) hundert Joahre weier (wieder) an. (Marsberg.)


11. Moren moren1 is Marie Latern2. (Hildesheim.) – Firmenich, I, 185, 22.

1) Uebermorgen.

2) Von lat = spät, weil das Fest Mariä Geburt ins Spätjahr fällt. Also: Uebermorgen ist das Fest Mariä Geburt.


12. Morgen berett Gott.Tappius, 114a.)

Lat.: Choenici ne insideas. (Tappius, 114a.)


[727] 13. Morgen erlebt man nicht.

Engl.: To-morrow comes never. (Bohn II, 160.)


14. Morgen es de Naht (Nacht) öm. (Aachen.) – Firmenich, I, 493, 104.


15. Morgen geiht auk'n Dag wedder an. (Lippe.)


16. Morgen is (kumt) ok'n Dag.Kern, 1223; Schambach, II, 314; Eichwald, 276.

Darum spare etwas für morgen.

17. Morgen ist auch wieder ein Tag.Sutor, 118; Mayer, II, 140; Simrock, 7088; Bücking, 215; Frischbier2, 2662.

Um das Verschieben einer Arbeit, einer Entscheidung u.s.w. demjenigen gegenüber zu rechtfertigen, der die Sache auf der Stelle erledigt haben will. Es kommen mehr Tage in der Woche, sagen die Holländer. Oder: Es hängen mehr Tage in der Luft. (Reinsberg III, 4.) Die Finnen: Genug sind Morgen im Morgenlande, Abende im Süden. (Bertram, 70.) In Mecklenburg: Morren is ok noch en Dag. (Firmenich, III, 71, 52.) Und Schlingmann (252): Morgen kümmt ôk'n Dag.

Frz.: A demain les affaires, demain il fera jour. (Venedey, 65.)

Holl.: Morgen komt er weêr een dag. (Harrebomée, II, 104a.)

Lat.: De mane consilium. – Seria in crastinum.


18. Morgen ist auch wieder ein Tag, an dem nichts geschafft ist. – (Oberschwaben.) – Birlinger, 482.


19. Morgen ist gut wandern, vbermorgen noch besser.Petri, II, 483.


20. Morgen ist nicht heute.

Span.: Mañana será otro dia. (Cahier, 3527.)


21. Morgen kommt der Baierfürst und bringt einen Sack voll Leberwürst'.


22. Morgen kompt tag vnd radt.Agricola I, 91; Egenolff, 75a; Gruter, I, 60; Eyering, III, 246; Petri, II, 489; Schottel, 1120a; Sailer, 142; Simrock, 7087; Sutor, 118; Grubb, 420.

Ermunterung zur Ueberlegsamkeit und zu bedächtigem Handeln, Warnung vor grosser Eile.


23. Morgen, morgen, nur nicht heute, sprechen alle trägen Leute.Eiselein, 443; Gaal, 1154; Simrock, 7091; Körte, 4296; Steiger, 146; Braun, I, 2759.

Aus Chr. Fel. Weisse's Gedicht: Der Aufschub; Anfangszeile der ersten und dritten Strophe. – Auf morgen, sagen die Basken, ist des Tagediebes Lied. (Reinsberg III, 4.)

Mhd.: Dar durch synt narren vil verlorn, die allzyt süngen morn, morn, morn. (Brandt, Narrenschiff, 31, 9.)

Frz.: A demain les affaires. (Masson, 247.)

Lat.: Per multum cras, cras, crebro dilabitur aetas. (Eiselein, 473; Gaal, 1174; Binder II, 2534; Philippi, I, 95; Altdorf, 121.) – Sera nimis vita est crastina, vive hodie. (Martial.) (Philippi, II, 177.)


24. Morgen, morgen thut kein Ding versorgen. Petri, II, 438.


25. Morgen ôk êten, segt Johann Smaal. (Hamburg.) – Hoefer, 988.


26. Morgen will ik Klok acht upstân, et mag Dag sin oder nig. (Holst.)

Selbstgelöbniss des Langschläfers.


27. Morn es Mart (Markt), bâr (wer) kê Geld hat, dâr muss wart. (Henneberg.) – Frommann, II, 413, 34.


28. Spar nit auff morgen, was du heut magst thun.Franck, I, 50a; Körte, 4297; Körte2, 5401; Simrock, 7089; Braun, I, 2761.


29. Was man morgen haben will, muss man heute schaffen.


30. Was morgen kommen kann, weiss man heute nicht.

Holl.: Men weet niet, wat de dag van morgen geven zal. (Harrebomée, II, 104a.)

Port.: O dia de amanhã ninguem o vio. (Bohn I, 288.)


31. Wer alles morgen thut, kommt zum Todtengräber ohne Hut und Gut.

Lat.: Cras, cras, semper cras, et sic elabitur aetas. (Philippi, I, 95; Schulblatt, 487.) Seybold (94) hat einen verwandten Spruch.


32. Wer für morgen spart, spart für die Hunde.


33. Wer sich auf morgen verlässt, gewinnt einen übeln Abend.Parömiakon, 2622.


*34. Ja, morgen!Eiselein, 472; Dähnert, 313a.

Sagt man, wenn jemand etwas verlangt, das man niemals thun will.


[728] *35. Ja, morgen schneit's. (Köthen.)


*36. Märgen backen wei Plaskes. (Deutz.)

Ablehnender Bescheid.


*37. Märgen brenge. (Kleve.) – Firmenich, I, 382, 52.

D.h. daraus wird nichts.


*38. Morgen früh ist die Nacht weg. (Schles.)


*39. Môrgen is de Nacht hen.Eichwald, 1327.

Die beste Zeit verstrichen; so sagt man misbilligend, wenn jemand Aufschub bis morgen wünscht.


*40. Morgen nach der Kuchel.Tendlau, 66.

Stehe ich zu Diensten, will ich das thun, d.h. nie; theils weil diese Mehlspeise nicht täglich gegessen wird, theils weil die Zeit nach derselben die ungelegenste ist.


*41. Morgen um die achte –. (Schwaben.)

Als ablehnende Antwort auch wol im Sinne von Ellenbogen 6 und Laken 25. Die im Unterelsass üblichen Redensarten, deren man sich bedient, um eine Verneinung und Verweigerung verstärkend, volksthümlich auszudrücken, hat Stöber (vgl. Frommann, III, 14) gesammelt. Man sagt: Jo morje! Jo morn! Jo Mebbs! Jo Mebb'l! Jo Mebb'r! Jo Mebb'rle! Jo Mebbirli! M'rr wurd d'r's bringe! M'rr wurd d'r's heimdráuje! Jo hops! Jo hopsa! Jo hopsaméi'l! Jo Lohkaes! Jo Hafekaes! Jo Pfifferli! Keene Pfifferli! Jo Pfifferli unn Hafekaes! Sunsch nix als Knepfle (Klösse)! Mit d'r Fischblos! Mit d'r Schuebürste! Jo Katzeknewle (Katzenknoblauch). – In einem Dorfe des hirschberger Kreises hörte ich als abweisende, verweigernde Redensart: Ja, Scheissla-Pariesla!


*42. Morgen wollen wir davon reden.Körte, 4297b; Braun, I, 2762.


43. Morgen gehört uns nicht.

Lat.: Ne crastino quidem dominamur. ( Seneca.)


44. Morne früh is der Tag wag.Larisch, 18.

Morgen früh ist der Tag weg.


45. Ob ich morgen leben werde, weiss ich freilich nicht; aber dass ich, wenn ich lebe, morgen trinken werde, das ist ganz gewiss.

Wandinschrift in einem laubaner Gastzimmer.


46. Was man auf morgen aufhebt, fressen die Mäuse.


47. Was morgen schon kann anders sein, das muss man niemals nennen sein.

Lat.: Nil proprium ducas, quod mutari posset. (P. Syr.) (Philippi, II, 27.)


48. Wer gern bis morgen wartet, kommt auch übermorgen noch nicht dran.Horn, Spinnstube, 1856, S. 186.


*49. Morgen nach dem Bade.Schmied, Schwäb. Wb.

In dem Sinne von Morgen 40.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 1615.
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