Spatz

1. Auch dem Spatz gefällt sein Gefieder.Altmann VI, 499.


2. Besser a Spoaz in der Hoand, oals a Taub'n. aufn Doach. (Steiermark.)


3. Besser ein Spatz im Hafen, als gar kein Fleisch.Fischart, Gesch.; Simrock, 9670a.


4. Besser ein Spatz in der Hand als ein Rebhuhn in der Luft.


5. Besser ein Spatz in der handt, dann ein Storck (eine Taube) auf dem Dache.Egenolff, 224b; Schottel, 1115a; Chaos, 172; Blum, 468; Siebenkees, 297; Birlinger, 469.

In einer berliner Zeitung las man 1864: Besser ein Commissionsrath in der Hand, als ein rother Adler auf dem Dache.

Frz.: Il ne faut jamais quitter le certain pour l'incertain. (Kritzinger, 115a.)

It.: E meglio un fanello in gabbia che un falcone in campagna. (Gaal, 1433.)

Lat.: Capta avis est melior, quam mille in gramine ruris. (Chaos, 783.) – Ignotum tibi tu noli praeponere notis. (Cato.) (Binder II, 1370.). – Impraesens ova cras modo pullis sunt meliora. (Chaos, 182; Seybold, 247.) – Incerta pro spe non munera certa relinque. (Binder II, 1488.) – Plus valet in manibus passer quam sub dubio grus. (Gaal, 1433; Binder II, 2604; Gartner, 153.) – Praesens est certior hora. (Seybold, 413) – Praevalet in manibus sexcentis una volucris. (Binder II, 2644; Buchler, 355.) – Pro incerta spe certa praemia. (Binder II, 2660; Faselius, 210; Wiegand, 878.) – Stultum est in certa procertis sumere. (Seybold, 533.)

Ung.: Jobb ma egy veréb mint sem holnap egy túzok.


6. Besser einen Spatz allein als einen Ochsen in Gemein.

Lat.: Communio parit discordiam. (Binder II, 534; Lehmann, 260, 40.)


7. Besser einen Spatz gefangen als müssig gegangen.

Holl.: Beter een' spreeuw geplukt, dan ledig gezeten. (Harrebomée, II, 293a.)


8. Der Spatz ist ein tückischer fratz.Heyl, 622; Coler, 432b.


9. Der Spatz kann sich wol in das Nest einer Henne setzen, aber ein Hühnerei legt er nicht.

Die Böhmen, um einen zu schildern, der in unmöglichen Dingen seinen Ruhm sucht, lassen einen Sperling fliegen, das Meer anzuzünden. Es gelingt ihm dies zwar nicht, aber er kommt durch diesen Plan doch in einen gewissen Ruf. (Letĕl vrabec moře zapalovat, moře nezapálit, all slávy nabyl.) (Skola, III, 39.)


10. Die Spatzen essen nicht, man streicht jhnen dann den schwanz.Fischart, Gesch., in Kloster, VIII, 178; Gruter, III, 88; Lehmann, II, 79, 100.


11. Ein alter Spatz lässt sich nicht mit Spreu fangen.

Poln.: Stary wróbel nie da się na plewach złapać. (Lompa, 31.)


12. Ein kluger Spatz nistet gern unter dem Scheunendach.

Auch russisch Altmann V, 120.


13. Ein Spatz frisst mehr im Jahr wie ein Mensch. (Oberösterreich.) – Baumgarten.


14. Ein Spatz versteht nicht, was die Nachtigall singt.

»Ein grosser Geist wird ebenso wenig jemals von den kleinen Geistern verstanden, als die Nachtigall von dem Sperling.« (Welt und Zeit, V, 215, 111.)


[669] 15. Es fliegt kein Spatz allein.Chaos, 1060.


16. Es gibt mehr Spatzen als Lerchen.Altmann VI, 464.


17. Es ist besser ein Spatz in der hand, dann ein rephun (storck) im lufft (auff dem Dach). Franck, I, 78a; II, 114a; Egenolff, 337a; Lehmann, II, 151, 181.


18. Es ist wol ein kühner Spatz, der sein Nest dem Fuchs ins Ohr bauen wollte.

Aehnlich russisch Altmann VI, 411.


19. Heute ein Spatz ist besser als morgen eine Trappe.


20. Möchte der Spatz sich einbilden, er sei eine Nachtigall, wenn er nur so sänge wie sie.

Die Russen: Möchte sich der Stint für den Stör halten, wenn wir nur Caviar von ihm gewönnen.


21. So lange der Spatz auf dem Dache sitzt, müssen die Schwalben herumfliegen.


22. So oft wie ein Spatz, so lang wie ein Watz. (Rheinhessen.)


23. Spatzen beissen wol Storcken auss'm nest. Lehmann, 427, 10.


24. Wenn d' Spatze-n-ond d' Hüener im Staub baden, git's Räge. (Solothurn.) – Schild, 119, 176.


25. Wenn der Spatz ein Ei legen will, wie der Schwan, so ist's um seinen Darm gethan.

Die Russen: Wenn die Newa gebären will, hilf Gott vor Sandbänken. (Altmann V, 80.)


26. Wenn die Spatzen seltener wären, würde man Jagd auf sie machen.


27. Wenn ein Spatz aufffleugt, so fliehet der (ganze) hauff.Lehmann, 513, 47.

Lat.: Unius dementia fit multorum opinio. (Binder II, 3414; Lehmann, 513.)


28. Wer die Spatzen fürchtet, wird nie Hirse säen.Körte, 5635.

Serere non dubites führt schon Columella als Sprichwort an. (S. Dornen 47 u. 48, Honig 87, Staub und Wasser.)

Frz.: Il ne faut pas laisser de semer pour crainte des pigeons.

It.: Chi teme le passere, non semere panico. (Pazzaglia, 371, 1.) – Non cessar per gli ucello di seminar i piselli. (Masson, 112.)


29. Wer will Spatzen fänken (fangen), darf nicht drein werfen mit Spränkeln (fangen). Schmitz, 197, 193.

Poln.: Bojąc się wilka do lasu nieiść. – Siej proso, choć mu wróble grożą.

Span.: No se cogen truchas a brajas enjutas. (Masson, 112.)


30. Wie die alten Spatzen pfeifen, so piepen auch die jungen.Parömiakon, 749.


31. Wo die Spatzen wohnen, sind sie wohlfeile Vögel.

Die Russen: Wo die Spatzen zu Hause sind, wird ihr Fleisch verachtet. (Altmann VI, 493.)


32. Wo ein Spatz sitzt, kann auch eine Lerche sitzen.Altmann VI, 486.


33. Zwei Spatzen und ein Schneider, die fielen von dem Schuss; die Spatzen von den Schroten, der Schneider von dem Schreck; die Spatzen in die Schoten, der Schneider in den Dreck. Es ist der Schluss des Goe the'schen Gedichts: »Schneidercourage.« Es ist ein Schuss gefallen (II, 251).


*34. Auf Spatzen mit Kanonen schiessen.

Dieser Ausdruck wird dem österreichischen Reichskanzler Grafen Andrassy zugeschrieben. Als bei der Kaiserbegegnung in Salzburg 1871 die beiden Reichskanzler über das Verhalten der Regierungen, den Ultramantanen, namentlich den Jesuiten gegenüber, sprachen, soll Graf Andrassy gesagt haben, er halte die Leute nicht für so gefährlich, und er liebe es nicht, mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen; darauf habe der deutsche Reichskanzler, Fürst Bismarck, erwidert: »Ich gedenke auch nicht unter die Spatzen zu schiessen, aber ich will ihre Nester ausnehmen. Mich werden die Jesuiten hassen, aber auch fürchten; Sie werden sie nicht fürchten und doch hassen. Sie wollen nicht schiessen, so werden Sie Scheibe sein.« (Vgl. Niederschles. Zeitung, Görlitz 1872, Nr. 177.)


*35. Aus einem Spatz eine Nachtigall machen.

Holl.: Eene musch tot een' nachtegaal verheffen. (Harrebomée, II, 120a.)


*36. Da haben die Spatzen ihr Nest hineingebaut. (Troppau.)

Von einem skrofulös zerfressenen Halse.

[670] *37. Der Spatz will die Nachtigall singen lehren.

Wenn Unwissende sich nicht scheuen, mit Männern der Wissenschaft zu streiten oder sie gar belehren wollen. So liessen die Alten das Schwein mit der Minerva, die Wespe mit der Grille, den Specht mit der Nachtigall, den Wiedehopf mit dem Schwan wettkämpfen. – Die Russen sagen: Der Spatz trägt der Lerche Melodien vor.

Lat.: Epops (Upupa) cum cygnis. (Erasm., 12; Faselius, 103.) – Pica cum luscinia certat. (Faselius, 103.) – Sus cum Minerva certamen suscipit. (Faselius, 103.) – Vespa cicadae obstrepens.


*38. Die Spatzen pfeifen's auf den Dächern.

Das Geheimniss ist in aller Mund.

Frz.: C'est le secret de la comédie.


*39. Einem die Spatzen ausnehmen.Parömiakon, 2134.


*40. Er hat nach einem Spatzen gerungen und eine Gans darüber verloren.


*41. Jetzt guet Nacht, Spatz! (Ulm.)


*42. Man kann ihm seine Spatzen leicht ausnehmen.Parömiakon, 1584.


*43. Was vermag ein Spatz gegen einen Ochsen.

Die Finnen; Der Sperling hat nicht die Gewalt des Ochsen. (Bertram, 51.)


*44. Wenn das Spatza sind, las i mein Theil im Hafa. (Rottenburg.) – Birlinger, 220.

Wenn's gut ist, verzichte ich.


[Zusätze und Ergänzungen]

45. Der Spatz, der die Raupen frisst, frisst auch die Kirschen.Auerbach, Neues Leben, II, 116.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 1738.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Gespenstersonate

Gespenstersonate

Kammerspiel in drei Akten. Der Student Arkenholz und der Greis Hummel nehmen an den Gespenstersoirees eines Oberst teil und werden Zeuge und Protagonist brisanter Enthüllungen. Strindberg setzt die verzerrten Traumdimensionen seiner Figuren in steten Konflikt mit szenisch realen Bildern. Fließende Übergänge vom alltäglich Trivialem in absurde Traumebenen entlarven Fiktionen des bürgerlich-aristokratischen Milieus.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon