Abend

[4] Abend, diese regelmäßig wiederkehrende Tageszeit entsteht durch das Umdrehen der Erde um ihre Achse, d.h. um sich selbst. Dabei muß auf der an sich dunkeln, das Licht nicht durchlassenden Erde stets die eine von der Sonne abgewendete Hälfte durch ihren eigenen Schatten in Nacht und Finsterniß gehüllt sein, während auf der entgegengesetzten [4] von der Sonne beschienenen volles Licht oder heller Tag ist. Mit der Zeit des täglichen Sonnenunterganges beginnt nun der Abend. Es geht der helle Tag allmälig in Dämmerung über, und diese in dunkle Nacht dadurch, daß der erleuchtete Dunstkreis über der Erde durch den eintretenden Erdschatten unter mannichfachem Farbenwechsel (Abendroth) mehr oder weniger langsam verdunkelt und endlich ganz farbenlos und finster wird. In den Ländern des heißen Erdstrichs, zu beiden Seiten des Äquators, geschieht dieses so schnell, daß von einem allmäligen Übergange des Tages in Nacht nur wenig zu bemerken ist; in den gemäßigten und kalten Erdstrichen aber findet dieser Übergang nur nach und nach Statt.

Der Abend ist im Allgemeinen die Ruhezeit für Menschen und Thiere; selbst die Pflanzen senken wie zum Schlafe die Häupter und schließen ihre Blumenkelche. Doch sowol unter den Pflanzen wie unter den Thieren beginnen einige erst des Abends ihr eigentliches Leben. Erst um diese Zeit zeigt die schöne Cactusart, der Sonnenfeind, die Pracht seiner lilienweißen, großen Wunderblume, die nicht den nächsten Tag erlebt, und mit neuer Kraft blühen und duften die gelbe Nachtkerze, der blaurothe Nachtschatten und andere Blumen. Am Rührendsten ertönt des Abends der Gesang der Nachtigall und anderer Vögel; und auch der Uhu, die Eule und das Käuzchen kommen mit heiserem Gekrächz aus ihren Schlupfwinkeln hervor. Abendvögel, unter den Insecten Dämmerungs-oder Abendfalter, Sphinxe und Nachtvögel, sowie mehre Käfer fangen erst jetzt an aufzuleben, werden aber oft die Beute der umherschweifenden Fledermaus, die nicht weniger gierig als der Wolf, Fuchs und Bär vor Nachts noch auf Raub ausgeht.

Abend oder Westen nennt man auch die Himmelsgegend, wo die Sonne, der Mond und die Gestirne untergehen und insbesondere ist der West- oder Abendpunkt derjenige Punkt im Gesichtskreise, an welchem man im Frühjahre und Herbste, zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche die Sonne bei ihrem Untergange verschwinden sieht. – Der zu gewissen Zeiten am Abende hellstrahlende Planet, der Abendstern, auch Venus oder Hesperus genannt, heißt wenn er vor Sonnenaufgang sichtbar ist, Morgenstern.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 4-5.
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