Derwisch

[531] Derwisch heißt im Persischen ursprünglich die Thürschwelle, dann aber auch demüthig und arm und ist im Morgenlande vorzugsweise der Name der mohammedan. Mönche, deren über 30 Brüderschaften und Orden bekannt sind, von denen die ältesten sich aus dem 8., die neuesten aus dem 18. Jahrh. herschreiben. Die Derwische wohnen meist zu 20–40 in klosterähnlichen Stiftungen beisammen, denen im türk. Reiche ein vom Mufti in Konstantinopel ernannter Scheich oder Pir, d.i. Alter, vorgesetzt ist, und die von frommen Muselmännern zum Theil sehr reich ausgestattet sind, in denen aber die Derwische blos Wohnung und Kost erhalten und daher mit Ausnahme weniger, denen das Betteln erlaubt ist, ihre weitern Bedürfnisse durch Arbeit zu decken suchen müssen. Äußerlich unterscheiden sie sich durch Schnitt und Farbe des Gewandes, durch die Zahl der Falten des Turbans u.s.w.; die meisten lassen sich Kinn und Knebelbart wachsen und manche tragen das Haupthaar lang herabhängend, andere in die Höhe gekämmt, noch andere scheren es ab. Die Verheiratheten wohnen nicht in den Klöstern, müssen aber wöchentlich ein- und zweimal die Nächte vor ihren öffentlichen Andachtsübungen darin zubringen. Jeder Orden hat eigenthümliche Gebräuche und ihre Andachtsübungen bestehen in gemeinschaftlichen Gebeten, Kasteiungen, Tänzen und zum Theil höchst abenteuerlichen Ceremonien, die aber durch den Aberglauben des gemeinen Volks, das ihnen darum besondere Heiligkeit zuschreibt, die Quelle ansehnlicher Einkünfte für sie werden. Die sogenannten tanzenden Derwische, von denen sich ein Kloster in Pera bei Konstantinopel befindet, drehen sich z.B. stundenlang mit unglaublicher Schnelligkeit auf den Fersen, andere nehmen glühende Eisen und Kohlen zwischen die Zähne, bohren sich spitzige Instrumente in Ohren und Nase, gerathen in krampfhafte Verzückungen u.s.w., bis sie vor Anstrengung oder Schmerz die Besinnung verlieren und nun in ihre Zellen gebracht werden, um sich wieder zu erholen. Dazwischen werden noch Gebete gesprochen und zuweilen unter Begleitung einiger Blasinstrumente und Tambourins abgesungen. Auch aufs Traumdeuten verstehen sie sich, verkaufen Schutzmittel wider Zauberei, geben vor, gestohlene Sachen wieder auffinden zu können u.s.w. Natürlich machen viele Heuchler und Betrüger auf diese Art den Aberglauben des Volks zu einer Geldquelle, und namentlich stehen die umherwandernden Derwische in dieser Beziehung in schlechtem Rufe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 531.
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