Erbauung

[678] Erbauung (die) ist Fortschritt und Wachsthum im Guten und zwar dem Sprachgebrauche nach besonders im religiösen Guten, das Werk eines für seine höhere Bestimmung zur Religion und Tugend thätigen Gemüths, das die griech. Ausdrucksweise des N. T. mit dem allmäligen Auf, bau eines Gebäudes vergleicht. Die Erwachsenen sollen nämlich auf dem Grunde der Religion und Tugend fort, bauen, den die Schule legte. Die Erbauung hat immer ihren Grund in der Religion, so verschieden auch die Art und Weise ist, wie sie herbeigeführt wird. Die Natur, wie die Kunst und Wissenschaft, Worte und Thaten, glückliche und unglückliche Ereignisse, des vielbewegten Lebens Geschäftigkeit und des Todes stille Ruhekammer, die Andacht, die im Gotteshause und die daheim im eignen Herzen verrichtet wird, können auf gleiche Weise den religiösen Menschen über diese vergängliche und mangelhafte Welt erheben. Der Standpunkt, auf welchen er sich alsdann versetzt fühlt, ist ein anderer, als worauf er im Leben gewöhnlich steht. Ahnungen des Heiligen und Erhabenen füllen seine Seele, sein geistiges Auge sieht heller das Ziel seines Lebens: sittliche Vollendung; sein Herz ist offener den leisen Erregungen zum Guten und freudig erhabener über alles Ungemach und Misgeschick der Erde. Die Welt, die sich vor ihm aufthut, ist ihm als Sinnenwesen fremd, sie sagt seinem niedern Bedürfniß nicht zu und liegt weit ab von den Alltagssorgen und Geschäften, und dennoch wird er sich innigst bewußt, daß eben dies fremde Gebiet und sonst nirgend seine Heimat sei. So unleugbar es nun auch ist, daß alle Erbauung ihren Grund in der Religion hat, so kann doch weder die verständigste Belehrung über die Angelegenheiten der Religion, dringt sie nicht tief in das Herz ein und geht sie nicht aus diesem als eine Thatsache des Lebens hervor, noch die stärkste Rührung des Herzens durch religiöse Gefühle, bleibt es ihm dunkel, woher sie kommt, was sie sagt und will, Erbauung genannt werden. Die wahre. Erbauung führt daher zur Entfernung der Hindernisse, die der Sittlichkeit des Menschen entgegenstehen, und hilft namentlich die Sinnlichkeit und die Leidenschaften bezähmen, und wird so Ascetik, d.h. Anleitung zur Übung und Befestigung in der Tugend. Dazu bedarf es aber keineswegs der Ertödtung aller und sogar der in der Natur begründeten sinnlichen unschuldigen Triebe und Neigungen, wie die mönchische Ascetik sie fodert, welche daher ebenso auf Abwege führt, wie das beschauliche Leben. (S. Beschauung.) Wie Licht und Wärme die Bedingungen des physischen Lebens sind, so sind sie auch die des himmlischen Lebens, das dem Menschen durch die Erbauung aufgeht, die als die Frucht eines [678] in der Religion erleuchteten Verstandes und für sie erwärmten Herzens angesehen werden kann. Sollen demnach religiöse Vorträge und Erbauungsschriften ihren Zweck nicht verfehlen, so dürfen sie nicht mit leeren, nur blendenden Phrasen, schleppenden Wiederholungen, Stoßseufzern und dunkeln und verworrenen Gefühlsdeclamationen angefüllt sein; vielmehr spreche sich in ihnen jeder Gedanke, auch der zarteste und erhabenste, einfach und leicht aus, knüpfe das Unbekannte an das Bekannte, das Schwere an das Leichte, das Himmlische an das Irdische und biete das Heilige also dar, daß nicht eben, wer schon geneigt und gewöhnt, sondern selbst Jeder, der überhaupt fähig ist, einen stillen, forschenden Blick in sein Inneres zu thun, genöthigt werde, es zu empfangen. Ein nüchternes und gesammeltes Gemüth ist die beste Vorbereitung, sowie der öffentliche Gottesdienst und neben diesem die häuslichen Andachtsübungen im Kreise der Familien das wirksamste Mittel der Erbauung; dagegen sind die sogenannten Erbauungsgesellschaften, die auch Conventikel heißen, deshalb sehr zweckwidrig, weil in ihnen die Frömmelei häufig für Religiosität gilt und neben dem frommen Interesse, das diese Zusammenkünfte haben, sich auch häufig ein grobsinnliches einschleicht. (S. Andacht.)

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 678-679.
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