Essig

[699] Essig heißt jede saure Flüssigkeit, welche auf dem Wege der Essig-, zweiten oder sauren Gährung (s.d.) aus weinartigen Flüssigkeiten erhalten wird. Nach den nähern Bestandtheilen derselben, von denen auch seine Nebenbestandtheile abhängen, erhält der Essig den Namen Bier-, Wein-, Getreide-, Obst-, Honig-, Molkenessig u.s.w.; Hauptbestandtheile des Essigs sind Essigsäure und Wasser, neben denen aber z.B. der Weinessig noch Weinstein, die Getreideessige Kleber und Pflanzenstoffe mancher Art, Schleim u.s.w. enthalten, welche das Schalwerden und die Verderbniß des Essigs begünstigen, von denen man ihn aber durch Destillation über Kohlenpulver reinigen kann. Er erhält dann den Namen destillirter Essig, ist jedoch sehr schwach; läßt man ihn aber gefrieren, so erstarrt das Wasser und die flüchtig zurückbleibende Säure erhält einen bedeutenden Grad von Stärke und Flüchtigkeit. Die Essigsäure kommt zwar in der Natur sehr häufig sowol gebunden in Salzen, als auch frei in Pflanzensäften vor; selbst die Milch enthält eine geringe Menge derselben, die beim Sauerwerden zunimmt; vorzüglich erzeugt sie sich aber bei der sauren Gährung und bei der trockenen Destillation (s. Sublimation) der meisten Pflanzentheile. Reine Essigsäure wird gewöhnlich aus Salzen, welche sie gebunden enthalten, destillirt; im reinsten tropfbaren Zustande ist sie eine farblose Flüssigkeit, die nur das zum Bestehen der Mischung unumgängliche Wasser enthält, an der Luft raucht, einen angenehmen, aber stark und stechend sauren Geschmack und Geruch hat und schon bei +15° R. zu wasserhellen, blättrigen und spießigen Krystallen erstarrt. Mit dem Wasser verbindet sie sich in jedem Verhältnisse, ja zieht es an der Luft an und bildet damit eine wässerige Säure, wie eben der gewöhnliche Essig eine ist. Dieser wird aus verdünntem Alkohol oder irgend einer alkoholhaltigen (weingahren) Flüssigkeit gewöhnlich dadurch erhalten, daß dieselbe bei einer Wärme von 20–30° in offenen Gefäßen dem Einflusse der Luft dauernd ausgesetzt wird, wobei sie von selbst in die Essiggährung übergeht, die jedoch auch durch Zusatz von dieselbe befördernden [699] Mitteln (Ferment), die Essigsäure enthalten, wie Sauerteig, in Essig gekochtes Brod u.s.w. beschleunigt werden kann. Die Essigbildung beruht dabei auf der Einsaugung des Sauerstoffs aus der Luft, der durch Verbindung mit dem Alkohol und wässerigen Theilen die Essigsäure bildet. Bei diesem Verfahren dauert die Gährung jedoch mehre Wochen und man gelangt weit schneller zum Zwecke, wenn die säuernde Flüssigkeit in möglichst zertheilter Gestalt der Berührung der Luft ausgesetzt wird, indem man sie z.B. über mit Essig getränkte Hobelspähne hinabtropfen läßt, welche dem Luftzuge ausgesetzt sind. Diese Behandlung liegt der Schnellessigfabrikation zum Grunde, durch welche in 24 Stunden starker Essig erhalten werden kann. Die Verwendung des Essigs in der Küche, zum Einmachen von Früchten, zu Arzneimitteln, in den Kattundruckereien, Färbereien und andern Künsten und Gewerben, ist sehr ausgedehnt; auch bereitet man sogenannte Toilettenessige, welche über wohlriechende Kräuter und Gewürze abgezogen werden und zu denen auch der als Räuchermittel berühmte Vierräuberessig gehört. Die durch trockene Destillation des Holzes und der Pflanzentheile erhaltene Essigsäure ist sehr mit brenzlichem Öl verunreinigt, mit vielem Wasser verbunden und heißt Holzessig. Dieser hat eine braune Farbe, einen unangenehmen brenzlichen Geruch und Geschmack und wird im Großen beim Kohlenbrennen erhalten, indem man in die Meiler Röhren zum Ablaufen der Flüssigkeit anbringt, oder indem man Holz in eisernen Cylindern glüht, aus denen die Dämpfe der entstehenden brenzlichen Säure in Kühlgefäße geleitet und verdichtet werden. Die wichtigste Anwendung des Holzessigs ist die zu künstlichen Räucherungen, indem damit einigemal bestrichenes Fleisch der Fäulniß widersteht und geräuchertem Fleische im Ansehen und Geschmack gleichkommt. Über Essigbereitung belehrt unter Anderm näher Döbereiner's »Anleitung zur kunstmäßigen Bereitung verschiedener Essige« (3. Aufl., Jena 1832).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 699-700.
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