Georgien

[190] Georgien, dieses am Südabhange des Kaukasus liegende Land wird von den Russen Grusien oder Grusinien, von den Persern und Türken Gurgistan genannt. Bei ältern einheimischen Schriftstellern findet man die Provinzen Kachetien, Karthli, Imirete und Guriel unter der Gesammtbenennung Iberien oder Iwerien begriffen. Das russ. G. im engern Sinne hatte bis vor wenigen Jahren, ehe noch das vormals zum Paschalik Tschildir gehörende türkisch-Georgien (von 240 ! M. mit 70,000 Einw.) größtentheils mit demselben vereinigt worden war, einen Flächeninhalt von etwa 830 ! M. mit 406,000 Einw. G. hat einen fruchtbaren Boden, mit Ausnahme der ungesunden Tiefthäler und rauhen Berghöhen, ein herrliches Klima und heitere Luft. Schon im Febr. blühen Mandeln, Granaten im Mai, Spargel und Wein wachsen wild. Für die Veredlung dieses letztern Products hat Rußland viel gethan; denn es sandte Winzer und Böttcher hin, ließ die besten Rebensorten anpflanzen und Glashütten anlegen. Jetzt ist in G. der Weinbau bereits von hoher Wichtigkeit, [190] Getreide, Reis, Baumwolle, Hanf und Flachs gedeihen vortrefflich; auf den üppigen Weiden und Wiesen nähren sich Pferde, die den pers. ähnlich sind, und ein ausgezeichneter Rindviehstamm; die Schafe mit Fettschwänzen tragen seine Wolle. Die Einwohner sind träg und daher sind die Bemühungen Rußlands, besonders im Ackerbaue die nöthigen Verbesserungen einzuführen, meist fruchtlos gewesen, obwol die hier angesiedelten Europäer, namentlich die zahlreichen deutschen Colonisten, das beste Beispiel geben. Die Bevölkerung besteht, außer Armeniern, Persern, Turkomanen, Griechen, Russen und Juden, der großen Mehrzahl nach aus Georgiern, einem Volke mit durchaus eigenthümlicher Sprache. Sie gehören zu den schönsten Menschen der Erde; ihre Weiber flehen den Cirkassierinnen (s. Cirkassien) nicht nach, nur haben sie einen etwas dunklern Teint. Der Georgier ist im Allgemeinen tückisch, sinnlich, trunkliebend, dabei aber gastfrei und tapfer. Seit 370 fand das Christenthum Eingang im Lande; jetzt herrscht die orthodox griech. Kirche, deren Oberhaupt ein Katholikos ist.

G. hat eine alte Geschichte und eine Nationalliteratur, die im Mittelalter in Blüte stand. Im Jahre 1414 vereinigte der Zar Alexander I. ganz G. unter seinem Scepter; da aber nach seinem Tode das Reich unter seine drei Söhne getheilt ward, so sank die Macht desselben durch innere Kriege und die Einmischung Fremder, denn bald ward G. ein Zankapfel zwischen Türken und Persern. Während der ewigen Unruhen und Zerrüttungen ward es großentheils zur Wüste; häufig erblickt man noch jetzt Ruinen vormals blühender Städte. Ein Glück für das Land war es, daß Zar Heraklius von Karthli und Kachetien 1783 die Oberherrschaft der Russen anerkannte; im nächsten Jahre folgte der Zar von Imirete dem gegebenen Beispiele und 1801 wurde G. dem russ. Reiche förmlich einverleibt. Die bedeutendsten Städte in G. sind Tiflis an dem unterhalb der Stadt schiffbaren Kur, bei den Einwohnern Tphiliskalaki, d.i. Warmstadt, genannt, die Hauptstadt, mit 40,000 Einw., die einen starken Zwischenhandel mit Europa und Persien treiben; sie ist der Sitz eines georgischen Patriarchen und eines armenischen Erzbischofs und hat zu Bädern benutzte warme Quellen. In der Nähe liegen am Kur die seit 1819 angelegten deutschen Colonien Neu-Tiflis, Alexandershof, Marsenfeld, Petersdorf, Elisabeththal, Katharinenfeld, Annenfeld und Helenensdorf. Wichtig ist ferner das befestigte Jelisawetpol mit 12,000 Einw., in dessen Nähe ungeheure Ruinen einer vormals sehr glänzenden Stadt liegen. Die Hauptstadt des vormaligen Türkisch-Georgien ist Akalzike mit 12,000 Einw. und der berühmten Moschee des Sultan Achmet, aus deren Bibliothek mehre hundert der kostbarsten Handschriften nach Petersburg gebracht wurden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 190-191.
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