Kurfürsten

[684] Kurfürsten, von dem alten »kören« oder »küren«, welches wählen bedeutet, hießen die deutschen Fürsten, welchen vorzugsweise die Wahl des deutschen Reichsoberhaupts zustand. Nachdem früher alle deutschen Fürsten bei dieser Wahl Einfluß geübt hatten, entstanden 1245–56 die sieben Kurfürsten, nämlich die drei geistlichen, von Mainz, Trier und Köln, die ersten Erzbischöfe und Reichskanzler und die vier weltlichen, Pfalz (abwechselnd mit Baiern), Brandenburg, Sachsen und Böhmen. Das Vorrecht der Kurfürsten wurde 1356 durch die goldene Bulle vom Kaiser Karl IV. bestätigt. Von 1400, nach Absetzung des Königs Wenzel, bis 1708 übte Böhmen sein Wahlamt nicht aus. Im westfälischen Frieden entstanden acht Kurfürsten, indem Baiern und Pfalz besondere Kurwürden erhielten, und 1692 entstand noch eine neunte Kurwürde, indem Kaiser Leopold I. Braunschweig-Lüneburg zum Kurfürstenthum erhob, wogegen 1777 die Kurwürde von Baiern einging. Nach der goldenen Bulle waren die Kurfürsten die nächsten Räthe des Kaisers, die Säulen und Lichter des heiligen Reichs und hatten das Recht, dem Kaiser auch unberufen ihre Meinung mitzutheilen. Dieselben wählten nicht nur den Kaiser, sondern sie faßten auch die Wahlcapitulation ab, auf welche sich der Kaiser verpflichten mußte und durch welche die Freiheit des deutschen Reichs gesichert wurde. Seit 1338 bildete sie zur Aufrechthaltung der Wahlfreiheit einen eignen Verein und durch einen Eid wurde jeder neue Kurfürst diesem Vereine verpflichtet. Sie genossen ferner die königl. Ehrenrechte mit Ausnahme des Titels Majestät und hatten noch verschiedene andere Vorrechte. Jeder einzelne Kurfürst hatte noch seine eigenthümliche Würde und besondere Vorrechte. Der Kurfürst von Mainz führte Titel und Geschäfte eines Erzkanzlers in Deutschland, dirigirte den ganzen Reichstag und den Kurfürstenrath insbesondere, rief zur Wahl und leitete sie, hatte die Aufsicht über die Reichskanzlei und die Archive u.s.w. So oft die Krönung des Kaisers in seinem Sprengel geschah, verrichtete er dieselbe nach einem Vergleich mit Köln von 1656. Der Kurfürst von Trier führte den Titel eines Erzkanzlers durch Gallien und Arelat, der Kurfürst von Köln den eines Erzkanzlers durch Italien; derselbe krönte auch den Kaiser, sobald die Krönung innerhalb seines Sprengels geschah. Böhmen hatte das Erzschenkenamt und erkannte keine Reichsanstalt innerhalb seiner Grenzen an. Der Kurfürst von Pfalz war Erztruchseß und während der Zeit der Erledigung des kaiserl. Thrones Vicarius in Franken, Baiern, Schwaben und am Rhein. Sachsen hatte das Erzmarschallamt, übte beim Reichstage auf den Wahlversammlungen die Policei, hatte am Directorium Theil und übte das Reichsvicariat in den Landen sächs. Rechts. Endlich war der Kurfürst von Brandenburg Erzkämmerer und der von Braunschweig Erzschatzmeister. Seit dem luneviller Frieden 1801 kam die bisherige Verfassung in Unordnung, die geistlichen Kurfürsten wurden aufgehoben, doch wurde ein neuer Kurfürsterzkanzler von Mainz mit vier neuen Kurfürsten von Baden, Würtemberg, Hessen-Kassel und Salzburg 1803 in das kurfürstliche Collegium eingeführt, sodaß nun zehn Kurfürsten waren. Schon 1805 trat an die Stelle Salzburgs Würzburg und 1806 ging die Kurfürstenwürde mit dem deutschen Reiche ein. Die bisherigen Kurfürsten nahmen andere Titel an, bis auf den hess., der von Napoleon seiner Besitzungen beraubt wurde. Der Titularkurfürst von Trier starb 1812 und der Kurfürst von Hessen behielt nach dem Sturze Napoleon's und nach Wiedererlangung seiner Besitzungen den frühern Titel, wurde aber ein souverainer Fürst, indem die Kurfürstenwürde ihre frühere Bedeutung verloren hatte.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 684.
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