Leim

[723] Leim ist diejenige aus verschiedenen thierischen Substanzen verfertigte, bis zur Trockniß eingedickte Gallerte, welche als eins der vorzüglichsten Klebmateriale dient. Die Stoffe, woraus er gewonnen wird, sind thierische Abgänge: Abschabsel der Weißgerbereien, Oberhaut der Ochsenhäute, Flechsen, Schwanzstücke, Füße u.s.w. vom Rindvieh, Sehnen [723] der Pferde, Pergamentabschnitzel, abgetragene Handschuhe, alle Abfälle in den Lohgerbereien, Bratgriven vom Thransieden, Knochen und Fischschuppen. Diese Substanzen werden in Kalkmilch eingeweicht und dann getrocknet, damit sie nicht faulen, und so verschickt. Die Zubereitung des Leims geschieht, indem man jene Substanzen noch einmal in Kalkmilch einweicht, dann in Wasser, dann sie wäscht und auf einem gepflasterten Fußboden ausbreitet und täglich mehrmal wendet. Hierauf thut man sie in nicht tiefe, breite Kessel mit eingelegtem falschen, mit Löchern versehenen Fußboden, der drei Zoll weit von dem wirklichen absteht, oder belegt auch wol diesen mit Stroh, füllt den Kessel bis zu 2/3 seiner Höhe mit Fluß- oder Regenwasser und schüttet ihn dann mit den Materialien voll. Diese verschwinden beim Sieden und Umrühren, wogegen die Flüssigkeit zunimmt und Alles endlich ganz weiche Masse wird. Nun wird die Leimbrühe so lange gekocht, bis eine Probe an der Luft schnell gallertartig erstarrt. Man vermindert nun das Feuer, läßt die Brühe sich abklären, schöpft sie in einen mit Stroh belegten, auf ein Faß gestellten Korb, und läßt darin das Durchgeseihete sich absetzen. Der Rückstand im Kessel wird aufs neue, oft auch zum dritten Mal auf vorher angegebene Weise behandelt, wodurch man geringere Sorten Leim erhält. Die Leimauflösung läßt man nun durch ein Sieb in die Formen, viereckige hölzerne Kästen, in denen sie binnen 12–18 Stunden, über Nacht, erstarrt, löst den Leim mit angefeuchteten Messern von den Wänden und vom Boden ab, kehrt die Masse auf einem befeuchteten Tisch um, schneidet das Stück Gallert in große und dann immer kleinere Tafeln und Scheiben, und setzt diese auf Netzen von Bindfaden auf lustigen Trockenböden der Sonne und der Luft aus. Die geeignetste Jahreszeit hierzu ist der Frühling und der Herbst. Den höchsten Grad der Trockniß erhält endlich der Leim in heizbaren Trockenkammern und den Glanz durch Eintauchen der Tafeln in heißes Wasser, worauf man ihn mit genetzter Bürste überbürstet und auf der Horde vollends trocken werden läßt. Beim flandrischen Leim werden die Materialien vor dem Sieden länger eingeweicht, die Brühe läßt man weniger verdunsten, damit sie sich weniger färbe, und die Gallerte wird in dünnere Tafeln zerschnitten. Der Pergamentleim, aus Pergamentabfällen, Handschuhen u.s.w. wird nur kurze Zeit mit einer noch einmal so großen Menge Wasser gekocht und nicht getrocknet, sondern flüssig zum Vergolden oder zu den Wasserfarben verbraucht. Der gewöhnliche Leim wird nach seinem Verbrauche Tischlerteim, oder nach dem Ansehen Hornleim genannt. Englischer oder starker Leim heißt der aus Knorpeln, Rippen, Flossen und Häuten großer Fische bereitete. Unter Fischleim versteht man die Hausenblase (s. Hausen). Walfischleim steht an Güte dem Tischlerleim nach. Mundleim heißt die mit Gummi und Zucker versetzte Hausenblase; Leder- und Handschuhleim wird nach dem Material, woraus er bereitet wird, so genannt. Vom Tischlerleim gibt es feine, mittelfeine, mittlere und ordinaire Sorten; er muß hell, halbdurchsichtig, zähe, elastisch, auf dem Bruche glänzend sein, in kaltem Wasser aufschwellen und gekocht eine möglichst beträchtliche Menge Gallert geben. Große Leimsiedereien befinden sich in Deutschland in Köln am. Rhein, Mühlhausen, Merseburg, Nürnberg, Augsburg, Nördlingen u.s.w. Östreich erzeugt und führt viel Leim nach Italien aus. England fabrizirt den besten, und der flandrische und franz. wird besonders in den Tuchfabriken gesucht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 723-724.
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