Mahmud II.

Mahmud II.

[21] Mahmud II., Khan und Padischah, seit 1808 Sultan der Osmanen, zweiter Sohn des 1789 gestorbenen Sultans Abdul Hamid, wuchs im alten Serail auf und soll dort in der letzten Zeit von dem durch Mustapha IV., M.'s ältern Bruder, im Mai 1807 entthronten und dann gefangen gehaltenen Sultan Selim III. unterrichtet worden sein.

Mustapha IV. hatte die Neuerungen, welche Selim III. bei den strengen Moslemen verhaßt gemacht hatten, sogleich abgeschafft, dadurch aber eine ebenfalls mächtige Partei gegen sich aufgebracht, welche das Wohl des Reichs über die Aufrechthaltung veralteter Gebräuche setzte. Das Haupt derselben, der entschlossene Pascha von Ruscsuk, Mustapha Baïraktar, der zugleich Befehlshaber der Truppen war, drang daher am 28. Jul. 1808 mit Gewalt in den Palast, um Selim III. wieder auf den Thron zu setzen, den aber Mustapha IV. sogleich ermorden ließ. Dessenungeachtet ward er aber entthront, bevor er seinen Bruder Mahmud ebenfalls umbringen lassen konnte, und dieser wurde am 1. Aug. zum Sultan erhoben. Mustapha Baïraktar wurde nun Großvezier und dieser stellte Selim III. Einrichtungen wieder her, worüber aber und besonders wegen der von ihm auf europ. [21] Art ausgerüsteten Soldaten, Seymens genannt, im Nov. 1808 ein Aufstand der Janitscharen ausbrach, die den Großvezier in seinen Palast angriffen, der sich endlich, nachdem er noch den gefangenen Mustapha und dessen Mutter hatte umbringen lassen und kein Widerstand mehr möglich war, mit mehren Hundert seiner Gegner in die Luft sprengte. In dem dessenungeachtet fortgesetzten Kampfe der Seymens und Janitscharen behielten letztere die Oberhand und der Sultan mußte alle Foderungen derselben zugestehen. Um sich aber den Thron auf alle Fälle zu sichern, ließ er Mustapha IV. dreijährigen Sohn tödten und vier schwanger hinterlassene Frauen desselben ersäufen. Jedoch nicht blos in der Hauptstadt drohten Gefahr und Empörung; es galt von 1809–12 einen Krieg mit Rußland zu führen und den Aufruhr in vielen Provinzen des Reichs zu bekämpfen. Dabei wagte M. II aber doch neue Versuche zur Unterwerfung der Janitscharen, die indeß misglückten und nur seinen Räthen das Leben kosteten, ohne daß Verrath und Empörung darum weniger geworden wären. Erst 1820 konnte er den abtrünnigen Ali (s.d.), Pascha von Janina, besiegen, Serbien aber entzog sich 1818 der Botmäßigkeit des Paschas von Belgrad und Mohammed Ali machte sich zum fast unabhängigen Gebieter Ägyptens (s.d.); im Jahre 1821 begann wieder ein bis 1823 dauernder Krieg mit Persien und der Freiheitskampf in Griechenland (s.d.), und dabei ängstigten die Janitscharen von Zeit zu Zeit die Hauptstadt mit Mord und Brand. Endlich gelang es ihm aber 1826, die Janitscharen (s.d.) unter großen Blutvergießen aufzulösen und so Raum zu gewinnen zunächst für die Umgestaltung des Heeres auf europ. Fuß und dann für spätere durchgreifende Neuerungen. Die angebotene Vermittelung Englands, Frankreichs und Rußlands in den griech. Angelegenheiten lehnte M. II. im Jul. 1827 entschieden ab, aber sein noch unvollständig organisirtes Heer unterlag im Kriege gegen Rußland 1828–29; der Friede zu Adrianopel zwang ihn zur Nachgiebigkeit, und Griechenland ward ein selbständiges Königreich. Ebenso wenig konnte sein Heer 1832 den besser geübten Truppen des Paschas von Ägypten in Kleinasien widerstehen und nur die Dazwischenkunft der Russen und anderer europ. Großmächte hielt diese in Verfolgung ihrer Siege auf. Besser scheint es gelungen, die neuern Empörungen in Bosnien und Albanien zu dämpfen, auch wurde 1835 Tripolis wieder unterworfen und im Apr. 1837 konnte M. II. es wagen, die Hauptstadt zu verlassen und eine Reise über Varna nach den Donaufestungen seines Reichs anzutreten. Bei allen seinen begonnenen Verbesserungen, zu denen auch die Gründung von Bildungsanstalten für den Staatsdienst, für Ärzte und Offiziere gehört, ahmt M. II. freilich, und oft übereilt, blos europ. Einrichtungen nach und es gebührt sonach vorzüglich der Beharrlichkeit Anerkennung, mit welcher er sein Ziel verfolgt, bei dem er als Reformator grade keine selbständige Rolle spielt. M. ist mittler Größe, breitschulterig, hat eine röthliche Gesichtsfarbe, platte Nase, einen finstern, ausdruckslosen Blick, der nichts von der Energie verräth, welche er bei mehren Gelegenheiten bewiesen hat. Das Urtheil der Europäer liegt ihm sehr am Herzen und er läßt sich sogar aus den Zeitungen mittheilen, was ihn betrifft. Von seinen 27 Kindern leben noch der Thronerbe Abdul Medschid, geb. 1823; der Prinz Abdul Aziz, geb. 1830 und fünf Töchter, von denen zwei mit Großen des Reichs vermählt sind und die eine einen Sohn geboren hat, der dem Gebrauch entgegen am Leben gelassen worden ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 21-22.
Lizenz:
Faksimiles:
21 | 22
Kategorien: