Tripolis

Tripolis

[476] Tripŏlis oder Tripoli, einer von den Barbareskenstaaten (s. Barbaresken), liegt zwischen Tunis und Ägypten am Mittelmeere, gegen das er eine 140 Meilen lange, durch Brandung, Strömungen und häufige Stürme gefährliche Küste hat, und stößt im S. an die große Wüste.

Mit der Oase Fezzan und dem Gebiete Barka enthält er bei fast überall sehr unbestimmten Landesgrenzen auf etwa [476] 8800 ! M. gegen 11/2 Mill. Einw., die meist aus Mauren und Arabern oder Beduinen, sowie aus Osmanen, Berbern, Negern, Juden und Franken bestehen. Die Mauren sind Kaufleute, geschickte Handwerker und Ackerbauer; die Araber leben im Innern unter ihren Häuptlingen in den Gebirgen, treiben Viehzucht, wenig Feldbau, Krieg und Raub. Die westl. Küstengegend ist ziemlich fruchtbar; südl. zieht von W. gegen O. das Gebirge Ghuriano und Harudsch in der Entfernung einer Tagereise vom Meere bis an den Meerbusen von Sidra, wo die Wüste das Gestade des Meeres berührt. Südl. vom Ghurianogebirge liegen nur einzelne fruchtbare Oasen; der östl. vom Meerbusen von Sidra gelegene Theil des Landes erhebt sich wieder und bildet das etwa 2000 ! M. große Gebiet Barka, welches gegen das Meer steil abfällt. Dieses hügelige und theilweise sogar bewaldete Land, wo jetzt meist Beduinen umherziehen, war das im Alterthume angebaute, dicht bevölkerte und als sehr fruchtbar berühmte Cyrenaica, welches zuerst die Oberherrschaft der ägypt. Könige anerkennen mußte, nachher röm. Provinz war und wo die Psylli wohnten, welche den Schlangenbiß durch Aussaugen des Giftes heilten. Im ganzen Gebiet von T. gibt es nur unbedeutende Küstenflüsse und einige kleine Seen; das Klima ist im Sommer zwar sehr heiß, sonst aber angenehm und gesund, wenn nicht der Wind aus der Wüste weht, welcher eine erstickende Schwüle verursacht und weil er viel seine Sandtheilchen mitführt, die Veranlassung zu Augenübeln ist; die meisten Regen fallen im Oct. und Nov. Landeserzeugnisse sind die vortrefflichsten Südfrüchte, Datteln und andere zugleich Handelsartikel liefernde Producte, wie Safran, Sennesblätter, Veilchenwurzeln, Krapp, Wolle, Honig. Der wichtigste Handel wird durch Karavanen mit dem Innern von Afrika betrieben, wohin auch die aus Europa und der Levante eingeführten Waaren ihren hauptsächlichen Absatz finden und von wo Goldstaub, Elfenbein, Straußfedern, Negersklaven zurückgebracht werden. Man rühmt übrigens von einem Theile der Einwohner von T., daß sie besondere Neigung hätten, europ. Cultur anzunehmen.

Das eigentliche Gebiet von T. zwischen dem jetzigen Meerbusen von Kabes im W. (der kleinen Syrte der Alten) und dem von Sidra oder der großen Syrte im O., kommt erst nach dem 2. Jahrh. als röm. Provinz vor und hieß regio Tripolitana von den Gebieten der drei Städte Oea, Sabrata und Leptis magna, die es umfaßte, sowie von seiner Lage zwischen jenen Meerbusen regio Syrtica. Es theilte nachher die Geschicke der Barbaresken (s.d.), kam im 16. Jahrh. unter osman. Botmäßigkeit und wurde von Paschas verwaltet, die aber seit 1714 sich der unmittelbaren Abhängigkeit entzogen. Die Würde eines Dey von T. war seitdem in der Familie Karamanli erblich, bis es 1834 der Pforte gelang, bei Gelegenheit einer Empörung gegen den Pascha Truppen dahin zu werfen und T. wieder zur türk. Provinz zu machen, ohne daß jedoch ihre Oberherrschaft irgend befestigt wäre und sich für die Dauer wird behaupten lassen. Die arab. Bevölkerung war fortwährend feindlich gegen die neuen osman. Statthalter und der Bey von Fezzan erkannte ihre Autorität gar nicht an und steht an der Spitze ihrer Gegner. Die von den tripolitan. Corsaren lange betriebene Seeräuberei hat erst seit der franz. Besitznahme von Algier und damit auch der von vielen europ. Staaten jährlich an T. entrichtete Tribut ganz aufgehört. Die kleine Seemacht des Dey von T. soll aus einer Fregatte und einigen 20 kleinern Kriegsfahrzeugen und Kanonenbooten bestehen; durch Aufbieten der arab. Bevölkerung kann er 15,000 M. ins Feld stellen, und für gewöhnlich beträgt das stehende Heer 3000 M.

Der Landesname ward in der Folge auch der alten Stadt Oea, der heutigen Hauptstadt Tripolis, beigelegt, die 25,000 Einw., darunter 2000 Juden zählt, welche in einem Judenviertel, Zangat el Vahut, beisammen wohnen. Die Stadt liegt auf einer Landzunge an der Westseite des gegen alle Winde sichern Hafens, ist durch eine hohe, mit Bastionen versehene Mauer befestigt, welche ein See- und ein Landthor hat und auch die im südwestl. Theile der Stadt-befindliche, weitläufige und unregelmäßige Residenz des Dey ist vom festen Mauern umgeben. Die Straßen sind eng, aber reinlich, und es herrscht bei Tag und Nacht die größte Sicherheit; viele Privathäuser sind nur von Erde aufgeführt und von den fünf Moscheen ist nur eine ein ansehnliches Gebäude. Es bestehen hier drei europ. Gasthäuser, eine katholische Kapelle und ein christlicher Begräbnißplatz außerhalb der Stadt, wo die mohammed. ebenfalls liegen; ferner wichtige Zeuch- und Corduanfabriken, und der Handel ist sehr bedeutend. Von Denkmälern aus dem Alterthume hat sich am Eingange der Stadt ein nebenstehend abgebildeter schöner Triumphbogen des Marc Aurel ziemlich gut erhalten. Die nächste Umgebung ist sehr fruchtbar und voller Gärten und Landhäuser. Der Hafenort Mesurata, in der Nähe des gleichnamigen Vorgebirges, ist befestigt und der Hauptsitz des über Fezzan nach dem Innern betriebenen Handels. Trümmer alter Städte und Ortschaften finden sich hier wie im Lande Barka an vielen Stellen; der Hauptort des letztern ist jetzt an der Küste Bengasi mit 2000 Einw., einem versandeten Hafen und verfallenen Schlosse; es liegt in einer anmuthigen Gegend auf den Trümmern des alten Berenice. Andere Hafenorte sind Bomba, Derne, Maria Suza; an einer gegen das Meer offenen Terrasse liegen die merkwürdigen Ruinen des alten Cyrene, woher jener Simon war, welcher Jesu Kreuz tragen mußte. Auch von den alten Städten Teuchira, jetzt Teukera, Ptolemata, jetzt Dolmeita u.a.m. sind großartige Ruinen übrig. – Zwanzig Tagereisen südl. von Tripolis liegt die wichtige, dem Dey von T. zinsbare Karavanenstation Ghadames. Das von ihm bisher abhängige Land Fezzan oder Fessan südl. vom Gebirge Harudsch, bildet eine von Gebirgen umschlossene, sandige Ebene, wo es selten regnet, aber hin und wieder reichliche Quellen den Boden fruchtbar machen. Die 70,000 Einw. desselben sind eine Art Halbneger und werden von einem Bey beherrscht, der 5000 Araber im Solde hat. Der befestigte Hauptort Murzuk ist 120 Meilen von Tripoli entfernt und vom Oct. bis Febr. der Sammelplatz von Karavanen, die aus etwa zwölf Richtungen von der Küste und aus dem Innern hierherkommen. Bei Sokna sollen hier die besten afrik. Datteln wachsen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 476-477.
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