Tyrol

[540] Tyrol, die gefürstete Grafschaft, mit Vorarlberg, hat auf 522 QM. 925000 E., gränzt an den Bodensee, an Bayern, Salzburg, Kärnthen, das lomb.-venetian. Königreich, das Fürstenthum Liechtenstein und die Schweiz, und ist mehr als diese ein eigentliches Gebirgsland, von den Algäuer-, bayer., räth. (tyrol.) u. tridentin. Alpen erfüllt (s. Alpen); die höchsten Spitzen sind: in den räth. Alpen: Ortler 12062' hoch; in der Hauptkette: Hochkugel 11500', Similaun 11123', Wildspitz 11900', Weißkugel 11820'; in den trident. Alpen: Cima di Lagorei 8262', Cima d'Asta 8700'; in den vorarlberg.: die Mittagsspitze 6420:, die rothe Wand 8331 '; über die Gebirgspässe s. Alpen. Vorarlberg gehört dem Gebiete des Rheins an, der die Ill aufnimmt und den Bodensee bildet, in welchen die Bregenzeraach mündet; Hauptfluß des nördl. T.s ist der Inn (s. d.); von dem Nordabhange des tyr. Gebirgs fließen gleichfalls der Donau zu Iller, Lech und Isar. Hauptfluß im Süd-T. ist Etsch mit Eisack; auch Brenta und Drau entspringen in T. Das Klima [540] ist durch die Gebirgsnatur des Landes bedingt, u. Süd-T. bildet mit Nord-T. auch in dieser Beziehung einen Gegensatz, indem es edle Weine, Südfrüchte u. Seide erzeugt, während im Oberinnthal kaum das gewöhnliche Obst fortkommt. T. hat einen seltenen Reichthum an Mineralien; außer dem Gestein der verschiedenen Alpenformationen findet man: Bergkrystalle, Wetzsteine, Thonschiefer, Flintensteine, Asbest, Kreide, Marmor, Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Salz und Steinkohlen; der Bergbau auf die edlen Metalle hat jedoch bei weitem nicht mehr die Bedeutung wie im 15. und 16. Jahrh. Viehzucht und Alpenwirthschaft sind Haupterwerbszweige; der Ackerbau kann, obwohl mit großer Sorgfalt u. im Gebirge mit einer Anstrengung betrieben, welche man in der Schweiz nirgends sieht, den nöthigen Bedarf bei weitem nicht liefern; der Obstbau ist in Süd-T, das die besten Aepfel liefert, sehr wichtig; ebenso der Weinbau, der jedoch den Zolldruck der benachbarten deutschen Staaten empfindet. Im Süden ist die Seidenindustrie vorherrschend, im Grödenerthal die Bildschnitzerei; der Norden hat Baumwollenfabrikation (Vorarlberg), Bergbau u. Metallwaarenfabrikation, Teppichweberei, Handschuhfabrikation (Zillerthal); viele T.er wandern als Händler im Ausland umher, auch als Maurer, Straßenarbeiter und Tagelöhner. Die E. sind über 2/3 deutschen Stammes (bayer., im Vorarlberg schwäb. Stammes) und machen demselben durch Religiosität, Treue, Muth, Fleiß und Sparsamkeit Ehre; 300000 ungefähr sind Italiener. Kirchlich ist T. in die Bisthümer Trient und Brixen eingetheilt; politisch in 4 Kreise: den Innsbrucker, Brixener, Trienter, Bregenzer od. Vorarlberger, mit 20 Bezirkshauptmannschaften, 72 Bezirksgerichten, 5 Landgerichten, einem Oberlandsgericht zu Innsbruck u. einem Senate zu Trient. Hauptstadt und Sitz des Landesstatthalters ist Innsbruck. Für den öffentlichen Unterricht ist durch die Universität zu Innsbruck, die bischöflichen Seminare, mehre Gymnasien, 15 Hauptschulen und durch Elementarschulen in den Gemeinden hinreichend gesorgt. – T. war in alter Zeit von celtischen, im Süden vielleicht von tuscischen Völkerschaften bewohnt, wurde unter Augustus von den Römern unterworfen u. bildete einen Theil Rhätiens, das Etschland Italiens. Nach dem Sturze des römisch-abendländ. Reiches herrschten Ostgothen und Longobarden über T., dann siedelten sich im Norden die Bayern an; Karl d. Gr. machte das ganze Land fränkisch. Unter den Karolingern kam die Oberhoheit über den nördl. Theil wieder an die Herzoge von Bayern, es bildeten sich aber daneben unabhängige kleine Herrschaften, sowie auch die Bischöfe von Brixen und Trient Gebiet erwarben; dem Dynasten von Andechs verlieh Kaiser Friedrich I. die Besitzungen des geächteten Herzogs Heinrichs des Löwen mit dem Titel eines Herzogs von Meran. Dieses meran'sche Haus erlosch 1248 und sein Besitz erbte an den Grafen Albrecht von T. (der Name stammt von der röm. Bergfestung Terioli bei Meran, die gräfliche Burg geworden); dies Geschlecht erlosch mit Margaretha Maultasch, welche 1359 T. ihren Vettern, den Herzogen von Oesterreich, verschrieb. Seine gegenwärtige Ausdehnung erhielt es hauptsächlich durch Kaiser Max I., welcher von Bayern die Herrschaften Rattenberg, Kitzbühel und Kufstein zurückerhielt u. die Venetianer aus Süd-T. vertrieb; 1803 wurden die Gebiete der Bischöfe von Brixen u. Trient der unmittelbaren Landeshoheit unterworfen. Im Preßburger Frieden wurde T. an Bayern abgetreten, welches zuerst einen kleinen Strich, 1810 aber ganz Süd-T. an das Königreich Italien und das Pusterthal an das Königreich Illyrien abtreten mußte. 1809 erhoben sich die T.er gegen die franz.-bayer. Herrschaft, verjagten die feindlichen Truppen od. nahmen sie gefangen (April). Im Mai nahmen zwar die Franzosen und Bayern T. bis Innsbruck ein, allein im Juni u. Juli wurden sie wieder zurückgedrängt, am 13. Aug. am Iselberge bei Innsbruck vollständig geschlagen u. aus dem Lande geworfen. Ein neuer Angriff im October mißglückte theilweise u. wäre ganz gescheitert, wenn nicht die Kunde von dem Frieden zu Schönbrunn den [541] Widerstand gelähmt hätte; erst im Jan. und Febr. 1810 erfolgte indessen die allgemeine Unterwerfung. Der erste Pariser Frieden 1814 gab T. Oesterreich wieder zurück; bekannt ist es, wie die T.er auch 1848 u. 49 die alte Ehrenhaftigkeit bewährt haben. (Vergl. die Schriften Hormayrs über T.)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 540-542.
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