Achäer

[73] Achäer, einer der vier Hauptstämme des hellenischen Volkes, der seinen Ursprung von Achäos, einem Sohne des Xuthos und Enkel des Hellen, ableitete. Sie waren den Äoliern nahe verwandt und saßen an verschiedenen Stellen der griechischen Küste, so in Phthiotis, wo Peleus und Achilleus herrschten. Von da breiteten sie sich zuerst in Argolis und dann über einen großen Teil des Peloponnes aus, so daß, da in der Heroenzeit das achäische Königshaus der Atriden in ganz Griechenland von vorwiegendem Einfluß war, bei Homer der Name A., wie der der Argeier und Danaer, auch zur Bezeichnung der Griechen insgesamt gebraucht wurde. Die Dorische Wanderung (s. Dorier) machte fast allen ihren Staatenbildungen im Peloponnes allmählich ein Ende. Die Bewohner vermischten sich teils mit den Eroberern. Ein andrer Teil wandte sich im Verein mit Äoliern nach der nordwestlichen Küste von Kleinasien. wo sie in langwierigen Kämpfen Dardanien (Troas) eroberten. Die sie verherrlichenden Sagen und Lieder sind später mit andern zu der »Ilias« zusammengefaßt worden. Nur in Arkadien behaupteten die A ihre Unabhängigkeit und nahmen von hier aus, unterstützt von Stammesgenossen aus Argolis, den Ioniern[73] das nördliche Küstenland (Ägialos) ab, das seitdem Achaia (s. d.) genannt wurde. Die zwölf Städte des Landes bildeten einen Staatenbund und standen anfangs unter der Herrschaft von Königen, des Orestes Nachkommen, deren letzter Ogyges war. Auf das Königtum folgte eine gemäßigte Demokratie. Den Verwickelungen des übrigen Griechenlands blieben die A., durch die Abgeschlossenheit des Landes begünstigt, bis ins 4. Jahrh. v. Chr. meist fern, aber bei Chäroneia (338) kämpften sie mit für Griechenlands Freiheit. Die makedonische Herrschaft wurde von dem achäischen Volk, das von ursprünglicher und kraftvoller Art war, besonders hart empfunden. Die A. benutzten deshalb die Thronstreitigkeiten und andre Verwirrungen in Makedonien zur Vertreibung der Besatzungen und zur Erneuerung des im Laufe der Zeit aufgelösten alten Achäischen Bundes (280). Größere Bedeutung erhielt dieser Bund aber erst 251, als Aratos von Sikyon zum Bundesfeldherrn (Strategen) gewählt wurde. Die bedeutendsten Städte des Peloponnes, wie Korinth, Epidauros, Megalopolis und Argos, auch mehrere Städte des mittlern Griechenland, z. B. Megara und selbst Athen, traten dem Bunde bei, der bei möglichster Gleichheit und innerer Freiheit der einzelnen Staaten nach außen fest und einig dastand. Der oberste Bundesbeamte war der Strateg, der mit dem Hipparchen und Nauarchen die Streitkräfte befehligte und mit den zehn Damiurgen (Ratsmannen) die regelmäßigen Bundesversammlungen in Ägion zur Entscheidung über Krieg und Frieden und über Bündnisverträge zusammenberief und leitete. Den ganzen Peloponnes für den Bund zu gewinnen, scheiterte an Spartas und Elis' Weigerung und an der Eifersucht der Ätolier. In dem ausbrechenden Kampfe zog Aratos den kürzern und rief daher den makedonischen König Antigonos Doson zu Hilfe. Die Schlacht bei Sellasia (221) entschied zwar für die A., aber auch der Achäische Bund selbst hatte seine nationale Bedeutung verloren. Erneute Kämpfe gegen die Ätolier (Bundesgenossenkrieg, 220–217), dann gegen die Römer im Bunde mit Philipp V. von Makedonien (211–205), zuletzt gegen die Makedonier, gegen die sie ihre frühern Feinde (seit 198) unterstützten, Streitigkeiten der Bundesstädte untereinander und der politischen Parteien in den einzelnen Städten und auf den Tagsatzungen, daneben die erbittertsten Kämpfe mit Nabis und Machanidas, den Tyrannen von Sparta, rieben die Kräfte des Bundes auf. Während des dritten römisch-makedonischen Krieges 171–168 blieben die A. neutral, gerieten aber gerade dadurch in völlige Abhängigkeit von den Siegern, die 1000 der edelsten A. wegen makedonischer Gesinnung im J. 167 nach Rom zur Verantwortung forderten und sie in Italien als Gefangene zurückhielten. Fernere Gewalttaten der Römer reizten die A. endlich 146 zur Kriegserklärung. Ihr Strateg Kritolaos wurde aber von Metellus bei Skarpheia, sein Nachfolger Diäos von Mummius bei Leukopetra besiegt, Korinth, wo eine lärmende Tagsatzung die Forderungen der Römer verworfen hatte, zerstört, der Achäische Bund aufgelöst u. ganz Griechenland in eine römische Provinz (Achaia) verwandelt (146 v. Chr.). Vgl. Klatt, Forschungen zur Geschichte des Achäischen Bundes (Berl. 1877); Derselbe, Chronologische Beiträge zur Geschichte des Achäischen Bundes (das. 1883); M. Dubois, Les ligues étolienne et achéenne (Par. 1884); Capes, History of the Achaean league (Lond. 1888); Freeman, History of federal government in Greece and Italy (2. Aufl., das. 1893).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 73-74.
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