Deduktion

[576] Deduktion (lat.), im weitern Sinn im Gegensatze zur Demonstration (s.d.) ein nicht auf unmittelbare Anschauung, sondern auf Schlußfolgerungen gegründeter Beweis (Räsonnement); im engern Sinn im Gegensatze zur Induktion (s.d.), die vom einzelnen Falle zur allgemeinen Regel aufsteigt, die Ableitung eines Besondern aus einem Allgemeinern. Je nachdem das eine oder das andre Verfahren vorwiegend zur Anwendung kommt, unterscheidet man deduktive und induktive Wissenschaften. Rein deduktiv sind eigentlich nur die Mathematik und die Logik, weil hier[576] die allgemeinsten Grundsätze an und für sich einleuchtend sind (Axiome), und aus den allgemeinen Eigenschaften des Raumes und der Zahl, bez. des Denkens sich alle speziellen Eigenschaften der Figuren etc. herleiten lassen; teilweise deduktiv sind die ethischen Disziplinen (Ethik, Rechtslehre, Pädagogik etc.), insoweit nämlich die allgemeinen Grundsätze der Sittlichkeit, des Rechts etc. zur Beurteilung des Besondern dienen können; alle andern Wissenschaften gewinnen nur durch Induktion (aus der Erfahrung) die Kenntnis allgemeiner Gesetze, sind aber bemüht, wenigstens nachträglich die Mannigfaltigkeit der einzelnen Tatsachen möglichst wenigen obersten Gesetzen unterzuordnen, um so eine das Einheitsbedürfnis des Denkens befriedigende Verknüpfung derselben herzustellen. Dadurch, daß es gelingt, eine ganze Klasse von Tatsachen oder Erscheinungen (z. B. die Bewegungen der Planeten) aus einigen durch Erfahrung bewiesenen oder auch nur hypothetisch vermuteten allgemeinen Gesetzen abzuleiten, entsteht eine Theorie (s.d.) derselben. Am vollkommensten ist es der Mechanik, Astronomie und Physik gelungen, ihren Wissensinhalt in eine theoretische Form (in deduktiven Zusammenhang) zu bringen, wobei freilich die letztere sehr viele Hypothesen (s.d.) als Grundlage ihrer Deduktionen benutzt und benutzen muß; es kommt dies daher, daß die D. sich nur dann auf äußere Zustände und Vorgänge anwenden läßt, wenn die qualitativen Unterschiede derselben (die Unterschiede der Farben, der Temperatur etc.) auf quantitative (der Massen und Bewegungen) zurückgeführt werden, was nur durch Hypothesen geschehen kann. – Die sogen. transzendentale D. bei Kant ist der Form nach ein hypothetischer Schluß, bei dem auf die objektive Gültigkeit der reinen Verstandesbegriffe dadurch geschlossen wird, daß ohne dieselbe das tatsächliche Erkennen nicht denkbar wäre. – Im Prozeß nennt man D. die rechtlichen Ausführungen der Parteien, die sich auf die Klage oder auf die Beweisführung beziehen. Die der D. des Klägers oder Beweisführers entgegengehaltenen Deduktionen des Gegners werden Gegendeduktionen genannt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 576-577.
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