Hatto

[870] Hatto (v. altdeutschen Hathus oder Hadu, »Krieg, Gott des Kriegsglücks«, abzuleiten). Merkwürdig: H. J., Erzbischof von Mainz, geb. um 850 aus alemannischem Geschlecht, gest. 15. Mai 913, seit 888 Abt von Reichenau, stand bei König Arnulf in großer Gunst. der ihn 891 auf den erzbischöflichen Stuhl in Mainz berief. Schon unter Arnulf an der Reichsregierung beteiligt, leitete er sie völlig unter Ludwig dem Kinde, dessen Pate und Vormund er war. Auch bei Konrad I., seinem Freund, hatte H. großen Einfluß und soll zu dessen Gunsten einen Mordanschlag auf Herzog Heinrich von Sachsen geplant haben (er wollte ihn mit einer goldenen Kette erdrosseln), der aber verraten ward, worauf Heinrich ihm seine Besitzungen in Thüringen entriß. Über seinen Tod bildeten sich bald abenteuerliche Sagen, namentlich in Sachsen, wo man H. als Verräter und Bösewicht ansah und eine seiner Freveltaten würdige Todesart zu erfinden suchte: er soll vom Blitz erschlagen oder lebendig in den Feuerschlund des Ätna gestürzt worden sein. Am bekanntesten ist die Sage vom Mäuseturm, die indes auch auf Erzbischof Hatto II. von Mainz (968–970) bezogen wird. Bei einer Hungersnot soll H. eine Menge armer Leute unter dem Vorwand, ihnen Nahrung geben zu wollen, in eine Scheune gesperrt, diese sodann angezündet und, als man das Klagegeschrei der Unglücklichen vernahm, die Umstehenden scherzend gefragt haben, ob sie seine Brotmäuse piepen hörten. Da überfielen ihn zahllose Mäuse und bedrängten ihn so, daß er, um sich vor ihnen zu retten, mitten im Rhein einen Turm (den Mäuseturm bei Bingen [s. d.], der 1635 von den Schweden zerstört wurde) erbaute; aber auch hier fand er keine Ruhe und wurde endlich von ihnen aufgefressen. Die Sage findet sich auch bei andern Völkern, und ihr liegt die Idee zugrunde, daß die Mäuse als Rächer begangener Frevel erscheinen. In der Geschichte erscheint H. als ein tüchtiger Staatsmann, der das Königtum mit Erfolg gegen die unbotmäßigen Großen verteidigte. Vgl. Heidemann, H. I., Erzbischof von Mainz (Berl. 1865, Programm).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 870.
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