Lewenhaupt

[491] Lewenhaupt (Löwenhaupt), altes schwed. Geschlecht, seit 1569 gräflich, hieß ursprünglich Leijonhufvud. Erst Mitte des 17. Jahrh. ward der Name L. bei mehreren Zweigen gebräuchlich, die lange in deutschen Diensten gestanden und sich mit deutschen Adelsfamilien verschwägert hatten. Erwähnt seien:

1) Adam Ludvig, Graf, schwed. Feldherr, geb. 1659 im Feldlager vor Kopenhagen, gest. 23. Febr. 1719 in Moskau, focht, nachdem er in Schweden und Deutschland eine gründliche Universitätsbildung genossen, 1685–86 unter Nils Bjelke (s. Bjelke 4) in Ungarn gegen die Türken, 1691–97 auf holländischer Seite gegen die Franzosen. Seit 1700 Oberst im Heer Karls XII., blieb er, als dieser 1702 nach Polen zog, in den Ostseeprovinzen und besiegte die Russen bei Schagarin (1703), Jakobstadt (1704) und Gemauerthof (1705). Seit 1706 Infanteriegeneral und Gouverneur von Riga, zog er im Sommer 1708 auf Befehl Karls XII. nach Severien, konnte sich aber erst Anfang November, nach einer empfindlichen Niederlage durch die Russen bei Ljesna (9. Okt.), mit dem König in der Ukraine vereinigen. Nach der Schlacht bei Poltawa, deren Verlust teilweise seiner Feindschaft mit Rehnsköld beigemessen wird, suchte er den Rest der Armee zu retten, mußte aber 11. Juli 1709 am Dnjepr kapitulieren und starb in russischer Gefangenschaft, kurz nach seiner Ernennung zum Reichsrat. Seine Selbstbiographie erschien 1757 (deutsch in Schlözers »Schwedischer Biographie«, Bd. 1). Vgl. Hallendorf, Karl XII. och L. år 1708 (Ups. 1902).

2) Charles Emil, Graf, schwed. Politiker und Feldherr, Großvetter des vorigen, geb. 1691 in Stockholm, gest. daselbst 15. Aug. 1743, verlebte mit seiner Mutter, einer Schwester von Philipp Christoph und Aurora Königsmark, seine Jugend im Ausland, focht 1708–10 in holländischen Diensten gegen Frankreich, zeichnete sich dann als schwedischer Oberstleutnant bei Gadebusch, Tönning und in Stralsund aus und befand sich seit 1716 bei den Feldzügen Karls XII. in dessen nächster Umgebung. Nach der Thronbesteigung Ulrike Eleonoras Mitglied der Hofpartei, schloß er sich auf dem Reichstag von 1734, wo er als Landmarschall fungierte, der Opposition gegen A. B. Horn an, spielte auf dem Reichstag von 1738 als Führer der franzosenfreundlichen »Hüte« (s. d.) eine wirksame Rolle und setzte auf dem Reichstag von 1740–41, wo er abermals Landmarschall war, die Kriegserklärung gegen Rußland durch. Hierauf zum Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte in Finnland ernannt, blieb er, anstatt sofort nach Petersburg zu ziehen, im Interesse der Thronrevolutionspläne der russischen Prinzessin Elisabeth (s. d. 11) untätig und räumte, als diese im Frühjahr 1742 plötzlich den stillschweigenden Waffenstillstand kündigte, auf Drängen seiner Umgebung das stark befestigte Fredrikshamn ohne Schwertstreich. Da er auch im Sommer 1742, durch den Parteihader innerhalb der eignen Armee beeinflußt, einen großen Teil Finnlands ohne ernstlichen Widerstand den Russen preisgab, ward er abgesetzt und in Stockholm, wo eine Reichstagskommission ihn zum Tode verurteilte, nach einem vergeblichen Fluchtversuch hingerichtet.

3) Karl, Graf, schwed. Staatsmann, geb. 19. März 1835 auf Herrevadskloster (Schonen), trat 1858 in den diplomatischen Dienst und ward 1876 Gesandter in Washington, 1884 in Paris. Seit 1889 Minister des Auswärtigen, vertrat er anfangs, besonders 1892 und 1893, in der unionellen Streitfrage, betreffend die Aufhebung der Konsulatsgemeinschaft, die Anschauungen der schwedischen Rechten, trat aber, da er später deren Vertrauen verlor, Mitte 1895 zurück und war bis 1902 Gesandter in London.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 491.
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