Oxālsäure

[272] Oxālsäure (Äthandisäure, Kleesäure, Sauerkleesäure, Acidum oxalicum) C2H2O4 oder COOH. COOH findet sich sehr weit verbreitet im Pflanzenreich, als saures Kalisalz besonders in Sauerklee- (Oxalis-), Sauerampfer- (Rumex-) und Rhabarber- (Rheum-) Arten, im Spinat etc., als Kalksalz wohl in den meisten Pflanzen, namentlich in Wurzeln, Rinden und Flechten, auch im Harn, besonders nach Genuß vegetabilischer Nahrungsstoffe, moussierender Weine, kohlensäurereicher Biere und der Alkalibikarbonate, in Harnsedimenten, Blasensteinen (Maulbeersteine), im Guano, in Exkrementen der Raupen und im Mineralreich als oxalsaurer Kalk den Thierschit, als oxalsaures Eisenoxydul den Oxalit bildend. O. entsteht bei Einwirkung von Kohlensäure auf geschmolzenes Natrium, beim Erhitzen von ameisensaurem Natron, ganz allgemein bei der Oxydation von Kohlenstoffverbindungen (z. B. Zellulose, Zucker, Stärkemehl, daher auch Zuckersäure) mit Salpetersäure oder schmelzendem Kalihydrat. Zur Darstellung erhitzt man Rohrzucker mit Salpetersäure, solange noch rote Dämpfe entweichen, und läßt kristallisieren; in der Technik erhitzt man Sägespäne von weichem Holz, Abfälle von Pergamentpapier etc. mit einem Gemisch aus Ätzkali und Ätznatron in flachen eisernen Pfannen auf etwa 240°, laugt mit Wasser aus, läßt das oxalsaure Alkali kristallisieren, trennt es von der Mutterlauge durch Filterpressen oder Zentrifugalmaschinen, zersetzt es durch Kalkmilch und den gebildeten oxalsauren Kalk durch Schwefelsäure; die vom schwefelsauren Kalk getrennte Lösung von O. wird zur Kristallisation gebracht. O. bildet farb- und geruchlose Kristalle mit 2 Molekülen Kristallwasser, schmeckt stark sauer, löst sich in 8 Teilen kaltem, viel leichter in heißem Wasser, auch in Alkohol, verwittert an der Luft, schmilzt wasserhaltig bei 101°, wasserfrei bei 189° und sublimiert bei vorsichtigem Erhitzen auf 150° unzersetzt; ihre Dämpfe reizen stark zum Husten. Bei schnellem Erhitzen zerfällt O. in Kohlenoxyd, Kohlensäure und Wasser oder in Ameisensäure und Kohlensäure. In wässeriger Lösung zerfällt sie am Licht in Kohlensäure und Wasser, mit Alkalien oder Natronkalk geschmolzen gibt sie Kohlensäure und Wasserstoff, durch Salpetersäure wird sie langsam, durch übermangansaures Kali schnell zu Kohlensäure und Wasser oxydiert, mit konzentrierter Schwefelsäure gibt sie Kohlenoxyd, Kohlensäure und Wasser, mit Glyzerin Allylalkohol oder Ameisensäure, mit Zink und Schwefelsäure Glykolsäure. Sie fällt Gold aus seinen Lösungen. O. ist eine der stärksten organischen Säuren und bildet mit Basen zwei Reihen von Salzen (Oxalate). Sie ist giftig, und da sie äußerlich dem Bittersalz ähnlich ist, so sind oft unabsichtliche Vergiftungen vorgekommen. Die tödliche Dose beträgt etwa 4–5 g, der Tod erfolgt bisweilen sehr schnell. Als Gegengift benutzt man gefällten kohlensauren Kalk und Zuckerkalk neben Magenspülungen. Man benutzt sie technisch als Enlevage in der Kattundruckerei, in der Woll- und Seidenfärberei, zur Darstellung von Ameisensäure, Allylalkohol, Dextrin, Diphenylaminblau, als Lösungsmittel für Berlinerblau, zum Beseitigen von Tinte- und Rostflecken, zum Bleichen des Strohes und Stearins, zum Putzen von Messing (unter dem Namen Zuckersäure), zum Reinigen des Glyzerins, als Reagens und besonders in alkoholischer Lösung als Fixierungsmittel in der Mikroskopie. Kleesalz (saures oxalsaures Kali) war bereits im Anfang des 17. Jahrh. bekannt, Wiegleb wies 1778 die Eigentümlichkeit der Kleesäure nach, und Scheele zeigte 1784 ihre Identität mit der aus Zucker und Salpetersäure erhaltenen Säure. Gay Lussac entdeckte die Bildung der O. beim Schmelzen von Kohlehydraten mit Alkali, und Dale führte dies Verfahren 1856 in die Technik ein.[272]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 272-273.
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