Tonschiefer

[611] Tonschiefer (Argilit), dichtes schieferiges Gestein, schwarz, schwärzlichgrau, bläulichgrau, auch grünlich, gelblich, rot und violett; im Bruche matt, von homogenem, nicht kristallinischem Aussehen und dadurch von dem Tonglimmerschiefer (s. Phyllit) unterschieden. Seine Zusammensetzung kann erst durch mikroskopische Untersuchung erkannt werden. Er besteht, ähnlich wie der weiche Schieferton (s. d.), aus größern oder geringern Mengen von klastischem Material (Quarz- und Feldspatteilchen, einem kaolinartigen Silikat, Glimmer- und Chloritblättchen), enthält aber auch, oft als Hauptmasse, idiomorph entwickelte, wegen ihrer Kleinheit meist nur schwer bestimmbare Bestandteile. Es sind dies teils dunkle haarförmige Rutilkriställchen (sogen. Tonschiefernadeln), teils winzige, bläulich- und gelblichgraue Säulchen von Turmalin, teils rötliche Körnchen von Granat, teils Blättchen von Ottrelith etc.; ferner finden sich Eisenoxydblättchen, winzige Eisenkieskriställchen, Kohleteilchen und Kalkspatpartikel. In größern, mit bloßem Auge sichtbaren Linsen, Nestern und Adern erscheinen Quarz und Kalkspat, ferner Eisenkies sowohl in Knollen als auch als Vererzungsmittel eingeschlossener Petrefakten. Das spezifische Gewicht schwankt um 2,8. Die chemische Zusammensetzung ist infolge der schwankenden mineralischen sehr unbestimmt. Geschiefert sind die T. meist sehr deutlich und zeigen oft gleichzeitig die transversale Schieferung (s. d.). An Varietäten sind zu unterscheiden: Dachschiefer (s. d.); Tafelschiefer (Grapholith), durch beigemengte Kohle intensiv schwarz gefärbte T., auf die sich gut schreiben läßt; Zeichenschiefer, schwarze Kreide, Zeichenkreide, Französische oder Pariser Kreide, Schieferschwarz (Thüringen, Oberfranken, auch bei Cherbourg, Pignerol und Séez in Frankreich, bei Marvilla in Spanien), ebenfalls kohlereich, daneben weich und erdig, so daß man damit (oder mit dem gepulverten und geschlämmten, durch ein Bindemittel zu Zeichenstiften geformten Material) schreiben und zeichnen kann; Griffelschiefer (s. d.); Alaunschiefer (s. d.); Kalktonschiefer (Alpen), in dem die Tonschiefermasse Kalklinsen umhüllt; Wetzschiefer (Thüringen, Sachsen, Ardennen), kieselsäurereiche, harte Varietäten von gewöhnlich hellerer Farbe, die ihre Härte dem Gehalt an Quarz und den mikroskopisch kleinen Granatkriställchen (oft bis 72 Proz. des Gesteins ausmachend) verdanken. Im Ottrelithschiefer (Ottrez in den Ardennen, Oberpfalz, Pyrenäen, Nordamerika) sind größere Ottrelithblättchen eingewachsen, im Chiastolithschiefer (Fichtelgebirge, Bretagne, Pyrenäen) Chiastolithe von verschiedener Größe. Der zuletzt genannte Schiefer ebenso wie gewisse andre, in denen unbestimmt konturierte, von der übrigen Gesteinsmasse oft nur wenig sich abhebende Konkretionen auftreten, nach deren Aussehen die T. die Namen Knotenschiefer oder Knotentonschiefer, Fruchtschiefer, Garbenschiefer und Fleckschiefer erhalten haben, sind mit typischen Tonschiefern an einigen Orten so verknüpft, daß sie sich allmählich aus letztern heraus entwickeln und sich proportional ihrer Annäherung an Eruptivgesteine, namentlich Granit, mehr und mehr von dem normalen T. unterscheiden. Die Bauschanalysen solcher Gesteine bewegen sich, wenn man vom Gehalt an Wasser und organischen Substanzen absieht, innerhalb enger Grenzen, so daß im wesentlichen nur ein Umkristallisieren der Gesteinsmasse, eine molekulare Umlagerung der Bestandteile. bez. eine Änderung der Struktur vorliegt (vgl. Metamorphismus der Gesteine). T., die eine Verknüpfung mit solchen »metamorphischen« Gesteinen aufweisen, sind aus Sachsen, dem Harz, den Vogesen, Pyrenäen, aus Cornwall und von andern, auch transatlantischen Orten bekannt. Es bilden diese Varietäten zugleich petrographische Übergänge einerseits zu den Knotenglimmerschiefern und zu den Phylliten (s. Phyllit), die besonders durch ihr kristallinisches Aussehen sich von dem T. unterscheiden, anderseits zu den der Schieferung entbehrenden Hornfelsen (Andalusithornfelsen,[611] Turmalinhornfelsen etc.). Die T. gehören den ältern Formationen an und kommen nur selten (z. B. die tertiären Glarner Schiefer, s. Tertiärformation) in jüngern Schichten vor, werden aber meist von den Phylliten an Alter noch übertroffen. Bezeichnungen, nach Ortsnamen oder Versteinerungen gewählt, dienen zur Charakterisierung des Alters der T., so beispielsweise: Graptolithenschiefer im Silur, Wissenbacher oder Orthocerasschiefer im Devon, Posidonienschiefer im Kulm etc. Wo der T. in großer Mächtigkeit auftritt, wie im Rheinischen Schiefergebirge, setzt er meist abgerundete Höhen und wellige Plateaus zusammen (vgl. Tafel »Bergformen II«, Fig. 1); seine Täler sind oft schroff eingerissen, am Fuße der klippenartig emporsteigenden Talwände mit großen Schutthalden bedeckt, deren Entstehung durch die starke Zerklüftung der T. begünstigt wird. Das letzte Residuum der Verwitterung ist meist ein mit Gesteinsbrocken gemengter Lehm- und Tonboden. T. erfährt, wie bereits erwähnt, in einigen seiner Varietäten eine mannigfache Verwendung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 611-612.
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