Turkmēnen

[831] Turkmēnen (Truchmenen, Turkomanen, Türkmen, vom Eigennamen Türk und dem Suffix men, »schaft«, also »Türkenschaft«), zur türkischen[831] Völkerfamilie (Turktataren) gehöriger Volksstamm in der altaischen Gruppe der Ural-Altaier, der das Steppenland zwischen dem Amu Darja, auf dessen rechtes Ufer er übergreift, dem Kaspischen Meer und der persisch-afghanischen Grenze bewohnt. Die T. zerfallen in zehn größere und mehrere kleinere Stämme, unter denen die Tekke-T. (s. d.) und die Jomuden die bedeutendsten sind. Außerdem gehören zu ihnen die Goklonen zwischen Atrek und Gurgen, die Alili im afghanischen Turkistan am linken Ufer des Amu Darja, die Tschoudoren in den Grenzstrichen Chiwas, die Sakar, Emrali und Erssary am Amu Darja aufwärts, die Salyr in der Oase Merw und die Saryk südöstlich von Merw am Murghab. Kleinere Stämme sind die Schichzen, Ogurtschalen und Igdyr an der Küste und auf den Inseln des Kaspischen Meeres. Dazu kommen noch Nomaden: Salyr auf afghanischem und Jomuden auf persischem Ge biet, so daß die Gesamtzahl aller T. auf 1,200,000 geschätzt werden kann, wovon 1,170,000 auf russisches Gebiet entfallen. Das früher sehr kriegerische und räuberische Volk, das den blühenden Ackerbau seiner Oasen fast ausschließlich durch iranische Sklaven besorgen ließ und die umliegenden Länder mit seinen Raubzügen, früher sogar auf Booten über das Kaspische Meer hin, heimsuchte, ist, nachdem es nach hartnäckigem Widerstande den Russen erlag, meist zu friedlichen Ackerbauern geworden. Viele sind auch in russische Regimenter eingetreten. Die T. sind äußerlich durch magern, zähen Körper, fast bronzefarbige Gesichter mit kleinen, tief liegenden Augen, schwarze Haare, weiße Zähne, lange Bärte gekennzeichnet. Die Tracht besteht aus einem weiten, langen Gewand, je nach dem Stande von Seide oder einem andern Stoff, und hohen Lammfellmützen, welche die Frauen durch einen um den Kopf gewundenen Schal ersetzen. Letztere haben eine geachtete Stellung, tragen viel Schmuck und verhüllen sich nicht. Gewöhnlich hat der Turkmene zwei Frauen, für die er einen gewissen Kaufpreis zu zahlen hat. Die Ehe kann aber willkürlich gelöst werden. Das gegebene Wort halten die T. immer, ihre Gastfreundschaft ist groß. Als Wohnung dient ihnen die Filzjurte. Sie sind sunnitische Mohammedaner, ohne aber die Gesetze des Korans streng zu beachten. Ackerbau, Fischerei, Viehzucht sind je nach den Wohnplätzen die Hauptbeschäftigungen. Auch die Gewinnung von Salz, in neuerer Zeit von Naphtha am Kaspischen Meer, ist bedeutend. Die Industrie beschränkt sich auf Anfertigung von Reitzeug, Kamelhaartuch, Ackergerätschaften etc.; die Fischerboote, in Hassan Kuli gefertigt, und die Teppiche der Tekke haben einen großen Ruf. Der Handel des Turkmenengebiets ist meist in den Händen von Armeniern. Die T. kämpften schon in frühester Zeit in gesonderten Haufen der Heere der stamnwerwandten Osmanen, und viele von ihnen ließen sich in Syrien, Kleinasien und, durch Murad V. angesiedelt, auch in Mazedonien nieder, wo sie noch heute leben, während die obengenannten Stämme in dem nach ihnen benannten Turkmenenland (Turkomania) verblieben, wo das östlich vom Kaspischen Meer gelegene Gebiet als Turkmenen- (Truchmenen-) Land bezeichnet wird. Vgl. Wenjukow, Die russisch-asiatischen Grenzlande (deutsch, Leipz. 1874); Weil, La Tourkménie et les Tourkmènes (Par. 1880); Vambéry, Das Türkenvolk (Leipz. 1885); Stieda im »Globus«, Band 74 (1898); Abu-l-Ghazi Behadur Chan, Genealogie der T. (ins Russische übersetzt von Tumanskij, Aschabad 1897). Vgl. auch Turkistan.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 831-832.
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