Vogt [2]

[217] Vogt, 1) Karl, Naturforscher, geb. 5. Juli 1817 in Gießen, gest. 5. Mai 1895 in Genf, studierte seit 1833 in Gießen Medizin, arbeitete in Liebigs Laboratorium und machte seit 1835 in Bern anatomische und physiologische Studien. Seit 1839 beteiligte er sich in Neuenburg an den Arbeiten von Agassiz und Desor und an Agassiz' Gletscherexpeditionen, lieferte den 1. und einen großen Teil des 2. Bandes von dessen »Histoire naturelle des poissons d'eau douce« 1844–46 lebte er in Paris und 1847 wurde er Professor in Gießen. 1848 von Gießen in das Vorparlament und in die deutsche Nationalversammlung gesendet, gesellte er sich hier zur äußersten Linken und war einer der gewandtesten und schlagfertigsten Redner der Versammlung. Er folgte dem Parlament auch nach Stuttgart, wo er in die Reichsregentschaft gewählt wurde. Seines Lehramtes in Gießen enthoben, lebte er bis 1850 in Bern, machte dann in Nizza Untersuchungen über die Seetiere und ging 1852 als Professor der Geologie nach Genf. Später erhielt er auch die Professur der Zoologie und wurde zum Mitglied des Großen Rates sowie zum eidgenössischen Ständerat, 1878 zum schweizerischen [217] Nationalrat erwählt. Er trat als einer der eifrigsten Vorkämpfer des Materialismus und später des Darwinismus auf und zog dessen letzte Konsequenzen mit großer Klarheit. 1861 leitete er eine Expedition nach dem Nordkap, über die er in der »Nordfahrt« (Frankf. 1863) berichtete. Er schrieb: »Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte der Geburtshelferkröte« (Soloth. 1842); »Im Gebirg und auf den Gletschern« (das. 1843); »Lehrbuch der Geologie und Petrefaktenkunde« (Braunschw. 1846, 2 Bde.; 4. Aufl. 1879) und »Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände« (Stuttg. 1845–46; 4. Aufl., Gieß. 1874); »Zoologische Briefe« (Frankf. 1851, 2 Bde.); »Ozean und Mittelmeer«, Reisebriefe (das. 1848, 2 Bde.); »Bilder aus dem Tierleben« (das. 1852); die mit beißender Satire versetzten »Untersuchungen über Tierstaaten« (das. 1851), später zusammengefaßt als »Altes und Neues aus dem Tier- und Menschenleben« (das. 1859, 2 Bde.); »Köhlerglaube und Wissenschaft« (Gieß. 1855, 4. Aufl. 1856), eine Streitschrift gegen Rudolf Wagner; »Die künstliche Fischzucht« (Leipz. 1859, 2. Aufl. 1875); »Grundriß der Geologie« (Braunschw. 1860); »Vorlesungen über den Menschen, seine Stellung in der Schöpfung und in der Geschichte der Erde« (Gießen 1863, 2 Bde.); »Vorlesungen über nützliche und schädliche, verkannte und verleumdete Tiere« (Leipz. 1864); »Über Mikrokephalen oder Affenmenschen« (Braunschw. 1867; franz., Basel 1867); »Die Herkunft der Eingeweidewürmer des Menschen« (Basel 1877); »Die Säugetiere in Wort und Bild« (mit Bildern von Friedr. Specht, Münch. 1883); »Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie« (mit E. Yung, Braunschw. 1885–94, 2 Bde.; franz. Ausg., Par. 1883–94) und »Aus meinem Leben. Erinnerungen und Rückblicke« (Stuttg. 1895). Vgl. William Vogt (Sohn), La vie d'un homme. Carl V. (Par. 1896).

2) Theodor, Philosoph und Pädagog, geb. 25. Dez. 1835 in Schirgiswalde (Sachsen), gest. 10. Nov. 1906 in Wien, studierte in Wien Philologie und Philosophie, wurde hier 1865 Dozent für Philosophie und Pädagogik und 1871 Professor an der Universität. In philosophischer Hinsicht schloß er sich dem Herbartianer Ziller an. Seit 1882 leitete er den Verein für wissenschaftliche Pädagogik und gab dessen »Jahrbuch« (dazu »Erläuterungen und Mitteilungen«) heraus. Außer Flugschriften, Aufsätzen etc. gab er Kants Schrift »Über Pädagogik« (3. Aufl., Langens. 1901) und Fichtes »Reden an die deutsche Nation« (2. Aufl., das. 1896) mit Biographien heraus und schrieb die Biographie Rousseaus zu Sallwürks Übersetzung des »Émile« (3. Aufl., das. 1893–95).

3) Friedrich, German ist, geb. 11. März 1851 in Greifswald, studierte deutsche Philologie in seiner Vaterstadt, Tübingen und Leipzig, trat 1873 in Göttingen, 1874 in Greifswald, wo er sich zugleich habilitierte, in den Bibliotheksdienst, wurde 1883 zum außerordentlichen Professor ernannt und folgte 1885 einem Ruf als Ordinarius nach Kiel; 1889 siedelte er in gleicher Eigenschaft nach Breslau über und 1902 nach Marburg. In Breslau organisierte er nach Begründung der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde (1894) die Sammlung der volkstümlichen Überlieferungen Schlesiens und gab 1894–1902 die »Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde« sowie 1901–03 »Schlesiens volkstümliche Überlieferungen« heraus. Er veröffentlichte außerdem: »Die deutschen Dichtungen von Salomon und Markolf, Bd. 1: Salman und Morolf« (Halle 1880); die »Geschichte der mittelhochdeutschen Literatur« (Sonderdruck aus Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, Straßb. 1893; 2. Aufl. 1902 u. 1906); den ersten, die ältere Zeit behandelnden Teil der illustrierten »Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart« (Leipz. 1897; 2. Aufl. 1904, 2 Bde.), von der Max Koch den Abschnitt über die neuere Periode verfaßte, sowie endlich »Schlesische Weihnachtsspiele« (das. 1901). Seit 1894 gibt er die von Weinhold begründeten »Germanistischen Abhandlungen« heraus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 217-218.
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