Würger [2]

[773] Würger (Lanius L.), Gattung der Sperlingsvögel aus der Familie der Würger (Laniidae), Vögel mit sehr kräftigem Schnabel mit stark hakiger Spitze, mäßig langen, gerundeten Flügeln, langem, stufigem Schwanz und starken, hochläufigen, mittellangzehigen, mit spitzigen Nägeln bewehrten Füßen. Der Raubwürger (großer, grauer W., Würgvogel, Wächter, Buschfalk, Berg-, Busch-, Krik-, Stein-, Straußelster, Lanius excubitor L., s. Tafel »Sperlingsvögel IV«, Fig. 3), 26 cm lang, 36 cm breit, oberseits hellgrau, unterseits weiß, mit breitem, schwarzem Zügelstreifen, schwarzen, weiß gefleckten Flügeln und schwarzem, an den Seiten weißem Schwanz, findet sich in Europa, nordwärts bis Skandinavien und dem südlichen Finnland, auch in einem großen Teile Asiens als Johnsvogel, er streicht vom Februar bis April und vom September bis November, lebt paarweise an Waldrändern und in Feldhölzern, im Winter in der Nähe der Ortschaften, frißt Kerbtiere, Vögel und Mäuse und spießt die Beute häufig auf Dornen oder spitze Zweige. Gegen Raubvögel zeigt er sich sehr feindselig, kündigt ihr Nahen an und verfolgt sie mit Geschrei. Er besitzt sehr scharfe Sinne und ist ungemein zänkisch. Seine Stimme ahmt die Laute kleiner Singvögel nach. Er nistet auf Bäumen oder in Büschen und legt im April 4–7 grünlichgraue, grünlichbraun und grau gefleckte Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 42). In der Gefangenschaft wird er bald zahm, dauert aber weniger gut aus als seine Verwandten. Früher wurde er zur Beize abgerichtet, noch häufiger aber beim Fang der Falken benutzt. Der schwarzstirnige W. (grauer, kleiner W., Drillelster, italienischer W., L. minor Gm.), 23 cm lang, 36 cm breit, dem vorigen sehr ähnlich gefärbt, auf der Brust rosenrot überhaucht, lebt in Mittel- und Südeuropa, ist bei uns im Westen selten, weilt bei uns vom Mai bis August, geht im Winter nach Afrika, nährt sich von Insekten, mischt in seinen Gesang die Strophen der kleinen Singvögel, nistet hoch auf Bäumen und legt im Mai 6–7 grünlichweiße, bräunlich und violettgrau gezeichnete Eier. In der Gefangenschaft erfreut er durch seine Nachahmungsgabe. Der rotrückige W. (Dorndreher, Neuntöter, Dickkopf, Spießer, Singwürger, L. collurio L., s. Tafel »Stubenvögel I«, Fig. 4), 18 cm lang, 28 cm breit, am Kopf, Hinterhals und Bürzel hellgrau, an der übrigen Oberseite braunrot, mit schwarzem Stirnrand und Zügelstreifen, an Backen, Kinn und Kehle weiß, an den übrigen Unterteilen blaß rosenrot, an den Mittelfeldern des Schwanzes braunschwarz, an den äußern mehr und mehr weiß. Er bewohnt fast ganz Europa und Kleinasien, geht im Winter bis Südafrika, weilt bei uns vom Mai bis September, lebt in Gebüschen und Hecken, Obstgärten oder Waldungen, ahmt überraschend die Stimme[773] andrer Vögel nach und nährt sich von Insekten, aber auch von kleinen Wirbeltieren und kleinen Vögeln. Er spießt alles Gefangene zunächst auf einen Dorn oder spitzen Zweig und sammelt so bisweilen ganze Mahlzeiten. Er nistet im Busch niedrig über dem Boden und legt im Mai 5–6 gelbliche, grau, braun oder rot gezeichnete Eier (s. Tafel »Eier I«, Fig. 43). In der Gefangenschaft erfreut er durch seinen mannigfaltigen Gesang, hält aber nur bei guter Pflege aus und ist gegen andre Vögel sehr zänkisch und mordsüchtig. Der Rotkopf (pommerscher W., Waldkatze, A. senator L.), 19 cm lang, 29 cm breit, ist oberseits schwarz, unterseits gelblichweiß, am Hinterkopf und Nacken rostrotbraun, an den Schultern und dem Bürzel weiß. Er findet sich in Mittel- und Südeuropa, in Deutschland nur in gewissen Ebenen, von Ende April bis September im Wald und in Gärten und geht im Winter bis ins tropische Afrika. In seinem Wesen gleicht er dem vorigen, scheint aber weniger räuberisch zu sein. Er singt fleißig und mischt die Stimmen andrer Vögel in der sonderbarsten Weise. Sein Nest fleht auf mittelhohen Bäumen und enthält 5–6 gräulichweiße, grau oder bräunlich gefleckte Eier.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 773-774.
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