Zähne, künstliche

[838] Zähne, künstliche, Ersatzstücke der natürlichen Zähne, die deren Funktionen möglichst vollkommen ausführen sollen. Sie sind keineswegs ausschließlich ein kosmetisches Mittel, tragen vielmehr, da die Verdauung wesentlich mit von einer gründlichen Zerkleinerung der Nahrungsmittel abhängig ist, zur Erhaltung des Ernährungszustandes bei und dienen außerdem zur Tonbildung und Artikulation beim Sprechen und Singen. Man fertigte k. Z. zuerst aus den Zähnen des Flußpferdes, benutzte dann Menschenzähne, jetzt aber ausschließlich Emailzähne aus einer porzellanähnlichen Masse, die mit einer harten, gefärbten Glasur überzogen sind. Die Befestigung der künstlichen Zähne im Munde geschieht auf verschiedene Weise. Der Stiftzahn[838] findet in einer ihrer Krone beraubten Zahnwurzel seinen Halt. Man feilt die gesunde Wurzel bis unter den Zahnfleischrand ab, erweitert den Nervenkanal und befestigt in diesem den künstlichen Zahn mit einem Platin-, Gold- oder Hickoryholzstift. Bleibt die Wurzel gesund, so kann der Stiftzahn bei richtiger Stellung jahrelang wie ein natürlicher Zahn funktionieren. Künstliche Zahnkronen werden auch aus Gold hergestellt. Sie können auf abgebrochene Zähne gesetzt werden, deren Wurzeln gesund sind und deren Reste noch genügend Halt bieten. Aus Schönheitsrücksichten bringt man sie meist nur an den hintern Zähnen an. Sie können zum Kauen und zur Vervollständigung der Zahnreihen ausgezeichnete Dienste leisten. Auf gesunde Wurzeln und Nachbarzähne stützen sich auch die sogen. Brückenarbeiten. Wenn diese wirklich zum Kauen dienen und einer gründlichen Reinhaltung des Mundes nicht hinderlich sind, können sie ein wertvolles Ersatzmittel sein. Bei den übrigen Arten des Zahnersatzes werden die Zähne auf Platten angebracht, die sich dem Gaumen möglichst luftdicht anschließen, daher beim Ansaugen fest haften oder durch möglichst breite Klammern an vorhandenen eignen Zähnen befestigt werden. Eine Saugplatte muß größer sein als eine Platte für ein Klammerstück; sie hat vor letzterer manche Vorzüge, doch können auch Platten mit gut anschließenden breiten Klammern viele Jahre ohne Nachteil für die natürlichen Zähne getragen werden. Ganze Gebisse befestigt man außer durch Ansaugen auch durch Spiralfedern, die zwischen Wangen und Zahnreihen liegen und letztere gegen Ober- und Unterkiefer drücken. Vor dem Einsetzen künstlicher Zähne sollen die Kiefer von Zahnwurzeln befreit werden, wenigstens von den schlechten; die noch vorhandenen Zähne sollen gesund oder, wenn schon kariös, dann doch gefüllt und fest sein. Wurzeln, die noch gefüllt werden können, läßt man stehen, besonders die der Vorderzähne, weil sie den Schwund des Kiefers verhindern und den künstlichen Zähnen ein erhöhtes natürliches Aussehen sichern. Andernfalls muß man auch ein natürlich aussehendes künstliches Zahnfleisch anbringen. Müssen Wurzeln gezogen werden, so kann das Verheilen der betreffenden Kieferpartie ein halbes Jahr und längere Zeit erfordern, und man trägt dann vorteilhaft ein Interimsstück, um den Mund nicht zu sehr von den Zähnen zu entwöhnen. Von dem sauber vorbereiteten Mund nimmt man mit Wachs, Gips oder einer plastischen Masse einen Abdruck und von letzterm einen Abguß, nach dem dann das künstliche Stück geformt wird. Die Platten für die künstlichen Zähne werden aus Gold, Aluminium oder Kautschuk hergestellt; die Klammern fertigt man am besten aus Gold. Die Kautschukplatten sind stets dicker als Metallplatten, geben aber einen genauern Schluß am Gaumen, sind billiger, auch nicht gesundheitsschädlich. Auf die Reinigung der Platte und der künstlichen Zähne ist die größte Sorgfalt zu verwenden. Sie müssen öfters am Tage, und namentlich abends, mit warmem Wasser und Seife gründlich abgebürstet werden, so daß sich nirgends Schleim ansetzen kann, woraus sich allmählich auch an Platten Zahnstein bildet. Das Herausnehmen der Zähne in der Nacht ist vorteilhaft für die natürlichen Zähne und für das Zahnfleisch.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 838-839.
Lizenz:
Faksimiles:
838 | 839
Kategorien: