Hüttenwerke

[645] Hüttenwerke (Hütten), 1) im Allgemeinen die zur Darstellung der Hüttenproducte, d.h. der nutzbaren Metalle, Metalloide (z.B. Schwefel), od. gewisser Verbindungen derselben (z.B. Schwefelantimon)[645] aus den, sie enthaltenden u. durch den Bergbau gewonnenen Erzen bestimmten Anlagen u. Baulichkeiten; nach ihrer verschiedenen Bestimmung gibt es Eisen-, Messing-, Blei-, Silber-, Gift-, Schmelzhütten, wozu auch die Hammerwerke, Drahtzangen, Frischherde etc. gerechnet werden; 2) im Besonderen vorzüglich die Schmelzhütten auf Blei, Zinn, Eisen, Kupfer u. Silber. Im weiteren Sinne werden in dem H. sowohl mechanische, als auch chemische Operationen vorgenommen, u. dann umfaßt das H. auch Röst- u. Waschherde u. Pochwerke; im engeren Sinne ist die Aufgabe der H. nur die Abscheidung der Hüttenproducte im Großen (hüttenmännisch) durch chemische Operationen (Hüttenprocesse), namentlich durch den Schmelzproceß, Amalgamirproceß etc.; in beiden Fällen braucht das H. Vorrathshäuser für Erze u. Kohlen. In der Ausscheidung der Hüttenproducte aus den Erzen besteht deren Verhüttung od. Zugutemachen. Die Gesammtheit der zur Anlage u. dem Betriebe von Hütten nöthigen Kenntnisse bildet das Hüttenwesen. Die H. müssen möglichst nahe an den Bergwerken u. zugleich am nöthigen Feuerungsmaterial u. an fließendem Wasser liegen, welches nöthigen Falls durch Hüttenteiche, in denen Wasser reservirt u., wenn man dessen bedarf, als Aufschlagwasser durch eigene, mehr tiefe als breite Hüttengräben zum H. zugelassen werden kann, zu verstärken ist; auch müssen sie möglichst trockenen Boden haben. H. gehören entweder Privatpersonen (Hüttenherren), od. Mehreren zusammen (Hüttengewerke), u. werden in beiden Fällen betrieben, um möglichst hohen Gewinn zu erzielen; od. sie sind öffentliche Anstalten. Ein Hüttenamt (Hüttendepartement) beaufsichtigt den ganzen Hüttenbetrieb einer Gegend od. des ganzen Landes u. sucht möglichst großen Gewinn aus den dem Staate gehörigen Hütten zu ziehen. Ein Hüttenmeister (Hüttensteiger, Hüttenvogt) besorgt das Technische, die Übernahme der Erze, das Probiren u. die Beschickung des H-s u. hat die Aufsicht über das Schmelzen, welches theils in Schachtöfen (vgl. Hohöfen), theils in Flammenöfen, theils auf Herden vorgenommen wird; ein (Hüttenfactor, Hüttenverwalter, Hüttenvorsteher) führt die Aufsicht über die Hüttengebäude u. deren Erhaltung, sorgt für Herbeischaffung des Holz-, Kohlen- u. Erzbedarfs, verkauft die in Handel kommenden Hüttenproducte u. bezahlt die Hüttenarbeiter; bei großen H-n sind noch mehrere. andere Hüttenbeamte angestellt, besonders bei Staatshüttenwerken, u. in ihnen erlernen eigene Hütteneleven den Hüttenbetrieb wissenschaftlich. Die eigentlichen Arbeiten an einem H. (Hüttenarbeiten) verrichten die Hüttenarbeiter u. bedürfen dazu einige Kenntnisse vom Hüttenbetrieb; sie bilden zusammen in einem H. od. in mehreren der Umgegend eine Hüttenknappschaft. Zuweilen stehen die sämmtlichen bei mehreren H-n Angestellten als Eximirte unter einem Specialgericht (Hüttengericht), das die eigentlichen Hüttenfachen nach einer eigenen Hüttenordnung entscheidet. Der Hüttenbetrieb, ein Theil des Bergbaues, erstreckt sich über die Gewinnung der reinen Metalle u. anderer nützlicher Producte, z.B. Schwefel, Arsenik, Bleiglätte etc., aus den Erzen, die Bereitung des Alauns, der blauen Schmalte, des Messings, die Verarbeitung des Eisens, Stahls, Kupfers, Messings in den Hammerwerken, Blech u. Gießhütten. Zur Gewinnung des Metalls werden die klein geschlagenen Erzstufen ausgelesen, das taube Gestein weggeworfen u. das erzhaltige sortirt. Wo es nöthig ist, wird dieses geröstet, dann auf Pochwerken zu einem klaren Schlamm (Schlich) geschlagen, dieses auf den Waschherden gewaschen u. dann in dem Schmelzofen geschmolzen; mehr s.u. den einzelnen Metallen u. Hüttenproducten. Auch das Scheiden der einzelnen Metalle von einander gehört nebst dem Probiren hierher; das letztere wird vorgenommen, um entweder den Werth der Erze kennen zu lernen, od. um die ihrer Beschaffenheit u. Zusammensetzung angemessene hüttenmännische Behandlung wählen, od. endlich um den Hüttenproceß selbst controliren zu können, u. besteht in der Ermittelung der Mengenverhältnisse, in welchen die nutzbaren Metalle in den Erzen enthalten sind, aber im Kleinen in kürzester Zeit u. auf einem Wege, welcher dem im Großen angewendeten Wege analog ist; das Probiren lehrt die Probirkunst od. Dokimasie. Alle beim Hüttenbetriebe nöthige Wissenschaften, als Mineralogie, Chemie, Physik, Mechanik, so wie die Kenntniß der einzelnen Werkzeuge, Maschinen, Verfahrungsarten u. der zweckmäßigsten Anlegung der H. machen die Hüttenkunde od. Metallurgie aus, welche ein Theil der Bergwerkswissenschaft ist. Bisweilen unterscheidet man davon die Hüttenkunst als die Fertigkeit, die beim H. vorkommenden Arbeiten zu verrichten, zu welchen besondere Kenntnisse gehören, u. theilt diese in die Schmelz-, Amalgamir-, Destillir-, Siede- u. Cementirhüttenkunde. Die Hüttenprocesse zerfallen also in solche auf trockenem Wege (Rösten, Schmelzen, Sublimiren etc.) u. in solche auf nassem Wege (Fällung aus Auflösungen, Amalgamiren etc.). Die dazu verwendeten Hüttenmaterialien sind die Erze, Schmelzzuschläge, Brennmaterialien.; die nöthigen Hüttenapparate sind Öfen, Herde, Gebläse. Was die Processe außer den Hüttenproducten noch liefern, nennt man Hüttenabfälle, welche sich mitunter ebenfalls recht gut verwerthen lassen. Von den Hüttenproducten nennt man Hüttenfabrikate diejenigen, welche aus den Erzen durch deren bloße Behandlung od. auch unter Hinzufügung gewisser in den Erzen nicht vorhandener Bestandtheile entstehen u. von der Hütte als fertige Handelswaare abgegeben werden. Vgl. W. A. Lampadius, Handbuch der Hüttenkunde, Gött. 1801–1810, 4 Bde., 2. Aufl. ebd. 1817–1827; Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Halle 1816, 2 Bde.; Karsten, System der Metallurgie, Berl. 1831 f.; Wehrle, Handbuch der Probir- u. Hüttenkunde, Wien 1841; Scherer, Lehrbuch der Metallurgie, Braunschw. 1848–53, 3 Bde.; Kerl, Oberharzer Hüttenprocesse, Clausthal 1852; Rammelsberg, Lehrbuch der chemischen Metallurgie, Berl. 1850; Kerl, Handbuch der metallurgischen Hüttenkunde, Freiberg 1855, 3 Bde.; Tunner, Das Eisenhüttenwesen in Schweden, Freib. 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 645-646.
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