Ode

[208] Ode (v. gr.), 1) ursprünglich so v.w. Gesang überhaupt, dann insbesondere jedes lyrisches Gedicht, welches sich vorzüglich zum Gesange eignete, daher bei den Griechen die Chorgesänge der Dramen, die Dichtungen des Pindar, des Sappho, des Anakreon, Alkäos, ebenso wie die Skolien u. die Hymnen in ihren verschiedenen Gattungen (Dithyramben etc.). Die Römer zeigen sich auch in dieser Gattung der Poesie als Nachahmer der Griechen. In neuerer Zeit wird die O. im Unterschiede vom Liede etc. als 2) diejenige Gattung der Lyrischen Poesie betrachtet, in welcher sich die tieferen Erzeugungen des Gemüthes u. der Wechsel starker, erhabener Gefühle der Luft u. Unlust mit hohem Schwunge der Begeisterung ausspricht. Die O. gestattet daher den freiesten Gedankenflug; damit hängt die höchste Lebendigkeit u. Mannichfaltigkeit rhythmischer Bewegungen zusammen, welche zu kunstvoller Bildung u. Verschlingung der Strophen führt. Nach den verschiedenen Ideenkreisen, welche der O. zufallen können, hat man verschiedene Arten derselben unterschieden: a) Religiöse O. od. die Hymne (s.d.), sofern dieselbe nicht epischen Inhalts ist; zu dieser Gattung lassen sich außer vielen hebräischen Psalmen, dem Liede Mosis u. dem Gesange der Debora aus dem Alterthume einige O-n des Pindar, der Hymnus des Kleanthes, viele Chöre in den griechischen Dramen (z.B. der an Eros in der Antigone des Sophokles), sowie einige Dichtungen des Horatius stellen; ferner viele christliche Kirchenhymnen u. ältere deutsche Lobgesänge; von den Neueren haben in dieser Gattung Vorzügliches geleistet unter den Engländern Gray, Akenside, Thomson, Cowley, Prior, bei den Franzosen Jean Bapt. Rousseau, unter den Deutschen Cramer, Denis, Kretschmann, Haller, vor Allen aber Klopstock, in späterer Zeit Herder, Lavater, Kolberg, der Maler Müller u.a. b) Heroische O., in welcher Heroen u. Heldenthaten, Kriegsruhm, Geistesgröße etc. besungen werden, dazu gehören außer den meisten Dichtungen Pindars u. mehrere des Horatius, welche in Bezug auf Form u. Bau seit dem 17. Jahrh. den Neueren zum Vorbild dienten, viele O-n englischer Dichter, namentlich Drydens; in Deutschland haben außer den obengenannten noch Gleim, Ramler, Schiller u. Goethe in der heroischen O. Vorzügliches geleistet. c) Didaktische O., sie hat die Ideale der Kunst u. des Lebens, sowie große, das Gemüth begeisternde Wahrheiten zum Gegenstande, geräth[208] aber oft durch das Übergehen in kalte Reflexion u. trockenes Moralisiren auf Abwege. Letzteren Mangel zeigt selbst Horatius mehrfach in seinen hierher gehörigen Dichtungen; einige neuere lateinische Dichter, wie Balde, Lotichius, Johannes Secundus, sowie die Italiener, namentlich Chiabrera sind Nachahmer der Alten. Während die Spanier Garcilaso de la Vega, Gongora, Quevedo eine ähnliche Richtung einschlagen, zeigen die didaktischen O-n der Engländer einen kräftigen Lehrton u. behandeln öfter Zeitgegenstände. Unter den Deutschen sind hervorzuheben: Weckherlin, Opitz, Flemming, Hagedorn, Uz, Haller, Lavater, Ramler, Voß, Stolberg, Kosegarten, Schubart, Herder, Müller, Arndt, Stägemann u. Platen. Viele O-n der neueren Zeit nähern sich mehr od. weniger dem Liede u. werden öfter nur deshalb O-n benannt, weil sie in den Versmaßen (Alcäisch, Sapphisch) der antiken Odendichter gehalten sind.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 208-209.
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