Rittergut

[193] Rittergut (lat. Praedium nobile, P. equestre), ein ländliches Gut, mit dessen Besitz durch Gesetz od. Herkommen gewisse Vorrechte der Besitzer, insbesondere Befreiungen von den sonst auf ländlichen Gütern haftenden Lasten, verbunden sind. Der Begriff R. wurzelt in der Geschichte des öffentlichen Rechtes in Deutschland. Die bei ihnen vorkommenden Vorrechte haben ihren Grund theils in der im Mittelalter dem grundbesitzenden Ritterstande obliegenden Verpflichtung zu Ritterdiensten, für welche die Vorrechte eine Ausgleichung bieten sollten, theils in der Vogtei, welche bisweilen mit solchen Gütern verbunden war u. die anwohnenden Personen einer Hoheit od. dieser sich annähernden Gerichtsherrlichkeit unterwarf, theils in einer wirklichen Grundherrschaft der Rittergutsbesitzer über die Grundstücke der ihnen verpflichteten Bauern, theils endlich in der uralten Theilnahme, welche den mit Gütern angesessenen Gliedern des Ritterstandes an der Berathung der öffentlichen Angelegenheiten zukam. Im Einzelnen kommen bes. folgende Privilegien als die mit Rittergütern verbundenen Vorrechte vor: a) die Landtagsfähigkeit od. Landstandschaft, als das Recht der Besitzer eines R-es persönlich od. durch Bevollmächtigte auf dem allgemeinen Landtage zu erscheinen u. zu stimmen, od. wenigstens in einer besondern Klasse (Curie) eine active Wahlstimme zur Vertretung auszuüben u. selbst als Vertreter dieser Klasse gewählt zu werden. In den neueren Verfassungen ist dies Recht einer besondern Vertretung der Rittergutsbesitzer oft ganz verloren gegangen; die allgemeine Landstandschaft der Rittergutsbesitzer besteht nur noch in Mecklenburg, die Einrichtung aber, wonach die Rittergutsbesitzer wenigstens das Recht haben als besonderer Stand ihre eigenen Vertreter zu wählen, besteht z.B. noch im Königreich Sachsen, Sachsen-Altenburg etc. In Preußen nehmen die Rittergutsbesitzer zwar in Bezug auf die allgemeinen Wahlen zum Hause der Abgeordneten keine bevorzugte Stellung mehr ein, dagegen kommt ihnen eine solche noch in den Kreis- u. Provinzialversammlungen zu. b) Die Steuerfreiheit als die Befreiung von den allgemeinen Landsteuern, u. zwar meist sowohl der allgemeinen Grund-, als auch der Personalsteuer, ja zuweilen selbst von indirecten Steuern, wie Tranksteuer, Impost u. dgl. Das Recht auf diese. Befreiung erwarb die Ritterschaft meist unter Berufung auf die ihnen obliegenden Lehn- u. Hofdienste, um so leichter, als der Grundsatz einer allgemeinen Steuerpflicht der Unterthanen zu den Staatsbedürfnissen im frühern Territorialstaatsrecht keineswegs festgestellt war u. die Landesherrn zufrieden waren, wenn ihnen ihre Bedürfnisse auch nur von den Hintersassen der Ritterschaft zu erheben verstattet wurde. Bei öfterer Wiederkehr einer so zugestandenen Befreiung der Ritterschaft von den Steuern ward das Recht der Steuerbefreiung als ein auf besondern Rechtstitel beruhendes Herkommen betrachtet u. erhielt bei neuen Verleihungen der Rittergüter vielfach ausdrückliche Anerkennung in den Lehnbriefen. So wurde die Steuerfreiheit der Rittergüter in den meisten Ländern in der That zu einem Realvorrechte, welchem man als Jus quaesitum auch gerichtlichen Schutz, gleich andern Privatrechten, angedeihen ließ, u. bei Einführung neuer Steuersysteme ist, nach mehrfachen Verhandlungen, der Grundsatz zur Geltung gelang, daß die Einführung eines neuen Steuersystems, welches die Steuerfreiheit der Rittergüter nicht anerkennt, nicht ohne Gewährung einer Entschädigung an die betheiligten Rittergutsbesitzer erfolgen könne; so namentlich in Preußen; vgl. Hesse, Forschungen die Steuerfreiheit der Rittergüter u. die Entschädigungspflicht des Staates für Entziehung wohlerworbener Rechte betreffend, Lpz. 1855; Günther, Betrachtungen über das Recht auf Entschädigung wegen entzogener Grundsteuerfreiheit, Lpz. 1855; Bülau, Erörterungen über die Grundsteuerfreiheit, Lpz. 1855. c) Die vielfach vorkommende, neuerdings indessen fast überall aufgehobene Befreiung von Einquartirung, Kriegsfuhren, Lieferungen, Land- u. Gemeindefrohnen; d) die Patrimonialgerichtsbarkeit (s.d.) u. die niedere Ortspolizei im Rayon des Gutssitzes u. über die dazu gehörigen Grundholden; e) ausgedehnte Forst- u. Hutungsgerechtigkeiten, Jagdrechte, Patronatrechte, Bier- u. Mühlbannrechte, Schenkgerechtigkeiten etc. Die neuere Zeit ist dem Fortbestande der Rittergüter als einer besondern Klasse von Gütern entschieden ungünstig; bes. haben die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit, die Ablösungsgesetze, die neueren Gemeindeordnungen viel dazu beigetragen, den Unterschied zwischen Ritter- u. Bauerngütern mehr u. mehr zu verwischen. Die Erhebung eines einfachen Grundstücks zu einem R-e, welche früher mittelst landesherrlicher Privilegien öfters vorkam, dürfte daher heutzutage nicht mehr vorkommen, wie auch die früher vielfach sich vorfindende Bestimmung, wonach nur Adelige zu dem Erwerb eines R-es gelassen wurden, jetzt allgemein weggefallen ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 193.
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