Saint-Martin [2]

[767] Saint-Martin (spr. Säng Martäng), 1) Louis Claude de St. M., geb. 18. Jan. 1743 in Amboise, begann das Studium der Rechte, trat aber 1765 in das Regimente Foix zu Bordeaux. Nachdem er den Abschied genommen hatte, durchreiste er Europa, faßte mit schwärmerischem Geiste Jakob Böhms u. Pordages mystische Naturansichten auf, bildete sie mit eignen phantastischen Ideen weiter u. brachte sie mit der Freimaurerei in Verbindung, indem er in von ihm gestifteten höheren Graden derselben eine mystisch-theosophische Geheimlehre verbreitete. Er fand in Frankreich u. auch in Deutschland Anhänger (Philosophes inconnus, Unbekannte Philosophen), welche nach seinem Lehrer Martinez Pasquales (s.d.) Martinisten (Spätere glaubten, sie wären nach M. selbst genannt), nach ihrem Wohnort Lyoner genannt wurden. Nach der Rückkehr von seiner Reise lebte er in Lyon, während der Revolution in Paris u. zuletzt in Aunoi bei Chatillon, wo er 13. Oct. 1803 starb. Seine Ansichten bilden ein Gemisch von eigenthümlicher, mit Kabbala, Gnosis u. Neuplatonismus gemischter Speculation; er war weniger Spiritualist als Spiritist od. Divinist, indem er mehr nach dem Wissen von Gott als dem Geist der Geister, als nach dem Wissen von der Geisterwelt strebte; Pantheist war er nicht, obgleich er in seiner Emanationslehre sich dem Pantheismus näherte; den Menschen hielt er für einen Gedanken Gottes u. für das Bild aller Wahrheit, den Körper für das Urbild alles Sichtbaren, die Seele für das Vorbild alles Unsichtbaren. Dem kirchlichen Glauben war er ganz entfremdet, indem er an die Stelle des äußeren Wortes der Offenbarung das innere u. an die Stelle des kirchlichen Priesterthums das eigene stellte. Nach der Art seiner Anschauung war er mehr Theosoph als Mystiker. Er schr.: Des erreurs et de la vérité, Lyon 1775, 2. Ausg. 1784 (deutsch von Claudius, Hamb. 1782); Tableau naturel des rapports, qui existent entre Dieu, l'hommes et l'univers, Edinb. 1782, 2 Bde. (deutsch 1784); Le crocodil, 1800; De l'esprit des choses, 1800, 2 Bde. (deutsch von C. G. Schubert, Lpz. 1811); Ecce homo od. Le nouvel homme, Par. 1796; Le ministère de l'homme d'ésprit, Par. 1802; L'homme de désir, Lyon 1790, Metz 1802, 2 Bde. (deutsch von Ad. Wagner, 1812); Oeuvres posthumes, Tours 1807, 2 Bde.; Les hombres, herausgegeben von Léon Chauvin, 1843. Durch diese Schriften wurden eine Menge mystischer Werke in jener Zeit veranlaßt, wie: Clef des erreurs et de la vérité, Jerusalem 1789 (übersetzt Hamb. u. Lpz. 1790); Der Schmuck des Weisen, Wien 1782; Μαγικόν, Frankf. 1784 u.a. Vgl. Angelus Silesius u. St. M., Berl. 1834; Caro, Essai sur la vie et la doctrine de St. M., Par. 1852. 2) Jean Antoine, geb. 17. Jan. 1791 in Paris, war lange Mitglied der kaiserlichen Gesellschaft der französischen Alterthumskenner, Aufseher der orientalischen Typographie in der königlichen Druckerei u. wurde 1824 königlicher Bibliothekar, verlor aber seine Stellen 1830 als Bourbonist u. st. 20. Juli 1832; er schr.: Mém. historiques et géographiques sur l'Arménie, Par. 1818 ff., 2 Bde.; Nouv. recherches sur l'époque de la mort d'Alexandre et sur la chronologie des Ptolemées, ebd. 1820; Notice sur le zodiaque de Dendérah, ebd. 1822; Histoire de Palmyre, 1823; gab Lebeau's Hist. de Bas-Empire (20 Bde. mit Atlas), seit 1824 verbessert, u. eine Auswahl von Vartans Fabeln 1830 heraus u. setzte die Art de vérifier les dates etc. fort. Nach seinem Tode erschien noch aus seinem Nachlaß: Fragmens d'une histoire des Arsacides, Par. 1851, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 767.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: