Tizian

[631] Tizian, eigentlich Vecellio (Vercelli) von Cadore, unter dem Vornamen T. allgemein bekannt, geb. 1477 (n. A. 1480) in dem zur Gemeinde Pieve (Capo)-del-Cadore (Venetianische Provinz Belluno) gehörigen in den Alpen von Friaul gelegenen Dorfe Tai; Maler u. Haupt der Venetianischen Malerschule, Schüler des Seb. Zuccato u. Giov. Bellini, von dessen Malweise er durch die in einem freiern Styl ausgeführten Arbeiten Giorgiones abgelenkt wurde, worauf er die eigne große u. breite Manier gewann, welche lange Zeit Muster u. Ruhm der Schule von Venedig geblieben ist. Als Bildnißmaler war T. bei den Großen seiner Zeit sehr beliebt. 1545 wurde er nach Rom berufen zu Papst Paul III., welchen er schon früher einmal in Bologna gemalt hatte. Den Kaiser Karl V. mußte er mehrmals abconterfeien, u. derselbe berief ihn selbst 1548 nach Augsburg, nachdem er ihn bereits 1532 in den Ritterstand erhoben hatte, u. machte ihn 1553 zum Pfalzgrafen u. zum Ritter vom goldenen Sporen mit beträchtlichem Jahrgehalt. Auch Philipp II. von Spanien, dessen Bildniß er fertigte, gab ihm ein Jahrgehalt von 200 Ducaten. Er malte König Ferdinand, nachmaligen Kaiser, u. dessen Familie, den Kurfürsten Johann Friedrich den Großmüthigen von Sachsen, als er noch in Gefangenschaft des Kaisers war, den König Franz von Frankreich etc. Kaiser Karl beauftragte ihn auch mit einem großen Votivgemälde der Dreifaltigkeit für das spanische Kloster S. Yuste. T. kehrte von allen Reisen wieder nach Venedig zurück, wo er 1576, 99 Jahre alt, thätig bis zum letzten Augenblick, an der Pest starb. Mit ihm starb sein Sohn u. Schüler Horazio; drei andere Kinder aus seiner 1512 eingegangenen Ehe überlebten ihn. T. wußte seinen Gemälden die ganze Wärme des Lebens einzuhauchen, ohne indeß in eine materielle Nachahmung der Natur zu verfallen. Seine Bildnisse erschienen wie die lebendigen Personen selbst u. doch nur jede frei von dem Moment in ihrem ganzen Charakter. Seine Compositionen sind voll dramatischer Haltung u. alle Gestalten u. Physiognomien von sprechendem Ausdruck. Vor allem ist es das Colorit u. die Harmonie der Farben, wodurch er unübertroffen dasteht, u. nie, weder vorher noch nachher, ist die Carnation von irgend einem Meister in allen Abstufungen des Teints mit solcher bis zum Entzücken gesteigerten Wahrheit wiedergegeben worden. An seiner Zeichnung hingegen fanden schon seine Zeitgenossen Mängel. Seine Hauptwerke (Mariä Himelfahrt, Tod des Pietro Martyr, Tod des St. Laurentius, Grablegung Christi) findet man in Venedig, aber außerdem fast in allen Gemäldegallerien, so. in Florenz: Venus, Magdalena etc.; in Rom: Pal. Borghese, die himmlische u. irdische Liebe; in Madrid: Dreifaltigkeit etc.; in Paris: Grablegung u. Dornenkrönung Christi; in Neapel: Danaë; in Dresden: Venus, Christus mit dem Zinsgroschen; in London: Bacchus u. Ariadne etc. Man hat über 600 Kupferstiche nach Gemälden von ihm. Das vom Kaiser Ferdinand 1844 für T. bestimmte Denkmal wurde von San Domenichi ausgeführt u. am 17. Aug. 1852 in Venedig enthüllt Vgl. Majer, Dell'imitazione pittorica, dell'eccellenza e della opera di T., Venedig 1818, u. die Gegenschrift von Caspari, Del bello ideale e delle opere di T., Padua 1820; Lübke, Tizian-Album, Berl. 1862.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 631.
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