Bonaparte [6]

[294] Bonaparte (Hieronymus), der jüngste Bruder Napoleon's, geb. 1784 zu Ajaccio, Herzog von Montfort und Exkönig von Westfalen, wurde zum Seewesen bestimmt und befand sich als Schiffslieutenant 1801 bei der Expedition nach St.-Domingo. Später kreuzte er als Capitain einer Fregatte in den westind. Gewässern, flüchtete aber vor den Engländern nach Nordamerika, wo er 1803 die älteste Tochter des reichen Kaufmanns Patterson zu Baltimore heirathete. Napoleon erklärte aber diese Verbindung für ungültig, da Hieronymus noch unmündig sei, und befahl ihm 1805 nach Frankreich zurückzukehren. Er nöthigte hierauf den Dei von Algier zur Freilassung von 250 gefangenen Genuesen, wurde Befehlshaber eines Linienschiffs, nachdem er ein Geschwader nach Martinique geführt hatte, und Contreadmiral, womit er seine Thätigkeit zur See beschloß. Als franz. Prinz befand er sich 1806 mit dem General Vandamme an der Spitze eines franz. Corps in Schlesien, wurde 1807 Divisionsgeneral und erhielt am 18. Aug. von Napoleon das neuerrichtete Königreich Westfalen, worauf er sich mit Katharina Friederike Sophie Dorothea, geb. 1783, einer Tochter König Friedrich I. von Würtemberg, vermählte und in Kassel am 1. Jan. 1808 mit großem Gepränge die Huldigung annahm. Er überließ die Regierung seinen franz. Räthen und verpraßte in unerhörter Üppigkeit die außerdem durch von Napoleon angeordnete Rüstungen stark in Anspruch genommenen Einkünfte des Landes, daher die Finanzen bald in Verwirrung geriethen. Aufstände des Landvolkes und die Unternehmungen des Majors von Schill (s.d.) und des Herzogs Friedrich Wilhelm (s.d.) von Braunschweig-Ols beunruhigten 1809 den neuen König, 1812 aber rief ihn Napoleon's Wille mit nach Rußland, wo er den Oberbefehl über zwei Armeecorps erhielt. In Folge der dabei begangenen Fehler wurde er jedoch schon im Aug. nach Kassel zurückgeschickt, wo er in gewohnter Weise fortlebte, bis ihn am 30. Sept. 1813 der russ. Parteigänger Czernitscheff aus seiner Residenz verjagte. Hieronymus kehrte am 17. Oct. nur dahin zurück, um an Kostbarkeiten zusammenzuraffen, was möglich war und damit nach Paris zu flüchten, da die Schlacht bei Leipzig dem Königreiche Westfalen ein Ende machte. Nach Napoleon's erster Abdankung behielt Hieronymus den Titel eines Prinzen, ohne jedoch ein großes Vermögen zu besitzen und lebte in der Schweiz, in Gräz und 1815 in Triest, von wo er sich bei seines Bruders Wiederkehr von Elba heimlich zu seinem Schwager Murat nach Italien und von da mit seiner Mutter und seinem Oheim, dem Cardinal Fesch, nach Paris begab. Hier wurde er zum Pair ernannt, begleitete seinen Bruder ins Feld und bewies in der Schlacht bei Ligny, vorzüglich aber bei Waterloo, wo er auch am Arme verwundet wurde, viel Entschlossenheit. Nach Napopoleon's zweiter Abdankung nahm er zunächst seinen Aufenthalt in der Schweiz, dann auf dem würtemberg. Schlosse Elwangen und führte nun den Titel Herzog von Montfort. Seit 1816 lebte er mit seiner Gemahlin sehr zurückgezogen theils auf seiner Herrschaft Schönau bei Wien, theils in Triest. Dennoch geriethen seine Vermögensumstände so in Verfall, daß seine Gemahlin sich deshalb an den Kaiser Alexander wendete, der ihr 1822 sogleich 150,000 Gulden auszahlen und ein Jahrgeld von 25,000 Rubel Papier, ungefähr 6300 Thlr., zusichern ließ; auch erhielt sie bald nachher durch die günstige Entscheidung eines Güterprocesses in Frankreich 460,000 Francs zugesprochen, welche Summe zum Ankauf mehrer östr. Herrschaften verwendet wurde. Seit 1827 lebt der Herzog mit seiner Familie im Kirchenstaate und bringt den Winter in Rom zu. Seine Gemahlin hat ihm 1814 einen Sohn, Hieronymus, und 1820 eine Tochter geboren; der erstere wurde 1830 in Rom der Theilnahme an einer Verschwörung beschuldigt und einige Zeit verhaftet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 294.
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