Feuerversicherungsanstalten

[33] Feuerversicherungsanstalten, Brandassecuranzanstalten sind Einrichtungen, durch welche der durch Feuer verursachte Schaden allen Denen, wenigstens zum Theil, vergütet wird, welche sich durch Entrichtung gewisser Geldbeiträge oder durch Übernahme gewisser Verbindlichkeiten das Recht auf eine solche Entschädigung erkauft haben. Sie kommen in Deutschland auf zweierlei Art vor, entweder als Staatsanstalten oder als bloße Privatunternehmungen. Der Beitritt zu den vom Staate eingeführten Brandkassen ist meist durch Gesetze bestimmt, dieselben beziehen sich aber in der Regel nur auf Gebäude, sodaß also jeder Hausbesitzer verbunden ist, seine Gebäude zu einem bestimmten Preise, welcher mit dem wahren Werthe derselben in Verhältniß stehen muß und keinenfalls höher als dieser sein darf, zu versichern. Nach Verhältniß dieser Versicherungssumme muß er halbjährig oder jährig zu den Entschädigungen beitragen, welche im Bezirke des Staats oder der Provinz, auf welche sich die Anstalt erstreckt, ausgezahlt worden sind. Es werden nämlich sämmtliche Hausbesitzer des Landes als eine Gesellschaft angesehen, die unter Garantie des Staats sich zur gemeinschaftlichen Tragung des durch Feuer verursachten Schadens verbunden haben. Der Staat vergütet den erlittenen Schaden im Namen sämmtlicher Beitragspflichtiger und vertheilt dann auf diese am Schlusse des festgesetzten Zeitraums die Summe der gezahlten Entschädigungen. Der Abgebrannte ist indeß verbunden, das Geld zur Wiederherstellung seiner Gebäude zu verwenden. Die wohlthätigen Folgen dieser Einrichtung sind, daß Städte und Dörfer, auch wenn sie durch Feuersbrünste heimgesucht worden, sich bald wieder aus ihrer Asche verjüngt emporheben, daß der Besitzer eines Hauses nicht durch das Abbrennen desselben verarmt und daß der Credit durch die größere Sicherheit der auf Häusern ruhenden Hypotheken sehr erhöht wird. Diese wohlthätigen Folgen gewähren indeß die Privatversicherungsanstalten ebenfalls, ohne irgend Jemand zur Theilnahme zu zwingen. Der Staat hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, zu hohe Versicherungen zu verbieten, um vorsätzliche Brandstiftungen zu verhüten; auch kann er solche Anstalten, welche sich des öffentlichen Zutrauens nicht würdig zeigen, ausschließen und dagegen andere, welche sich als zuverlässig und vortheilhaft bewähren, für sein Gebiet besonders privilegiren. Dies ist auch in vielen deutschen Ländern bereits geschehen, während in andern noch erzwungene Feuerversicherungsanstalten bestehen und nur gestattet ist, das bewegliche Vermögen, welches bei der Brandkasse des Staates nicht versichert wird, in auswärtigen Versicherungsanstalten zu verassecuriren. Die Einrichtung der Privatversicherungsanstalten ist verschieden. Die Feuerversicherungsbank für Deutschland in Gotha, eine der bekanntesten, beruht, wie die Brandversicherungsanstalten des Staats, auf dem Principe der Gegenseitigkeit; es haben daher die bei ihr Versicherten den Verlust zu tragen, wozu sie [33] sich durch Ausstellung von Wechseln auf Höhe des vierfachen Betrags der gezahlten Prämie (d.i. des Einschusses, welcher gleich bei Empfang der Bescheinigung über die geschehene Versicherung, der sogenannten Police, gezahlt wird) verbindlich machen, wogegen aber auch der Gewinn nach Verhältniß der von einem jeden eingezahlten Prämiensumme vertheilt wird. Alle übrigen Versicherungsanstalten von Ruf beruhen auf Actien. Die Verluste werden aus den von den Actionnairs baar eingeschossenen und verbürgten Fonds gedeckt und diese allein beziehen auch den Gewinn, so die berliner und die elberfelder Feuerversicherungsgesellschaft. Die aachener Gesellschaft, welche neuerlich auch für das Königreich Baiern privilegirt ist, theilt ihren Gewinn mit gemeinnützigen Instituten des Landes, weswegen sie bevorzugt wird. Die leipziger Feuerversicherungsgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, daß sie den auf fünf Jahre Versicherten den halben Antheil an dem Gewinne der fünfjährigen Versicherungen zurückvergütet, ohne daß diese, wenn die im Laufe eines Jahres zur Abrechnung kommenden Prämien zur Deckung der Schäden nicht ausreichen sollten, irgend einen Nachschuß zu leisten haben. Die erste Abrechnung der fünfjährigen Versicherung wurde am 1. Jun. 1834 vertheilt und danach erhielten die Versicherten 231/2 Procent zurückvergütet. Die nähere Einrichtung aller dieser Gesellschaften ist aus den von ihnen publicirten und landesherrlich bestätigten Statuten zu ersehen, welche auch die Richtschnur und Entscheidungsnorm in allen Streitigkeiten bilden, die zwischen den Versicherten und der Anstalt vorkommen können. In erster Instanz entscheidet in der Regel ein Schiedsgericht, bei dessen Besetzung die Betheiligten concurriren. Doch kann von dessen Ausspruche auch an den ordentlichen Richter appellirt werden, wenn nicht die Appellation ausdrücklich ausgeschlossen ist. Es liegt übrigens im Interesse der Anstalt, alle Streitigkeiten möglichst zu vermeiden und die versicherte Summe, sobald der Schaden ordnungsmäßig taxirt und bescheinigt ist, sofort ohne Weigerung und Weitläufigkeiten auszuzahlen. Nur durch eine prompte Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten kann sich die Gesellschaft das Zutrauen und den Ruf erhalten, dessen sie bei der großen Concurrenz solcher Institute nothwendig zu ihrem Bestehen bedarf.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 33-34.
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