Innocenz

[446] Innŏcenz ist ein Name, welchen bis jetzt 13 röm. Päpste geführt haben. Der erste I. regierte 402–16, der letzte 1721–24, der wichtigste aber ist Innocenz III. Derselbe war einer der größten Päpste. Sein eigentlicher Name war Lothar; er stammte aus dem erlauchten röm., in Anagni und Segni begüterten Hause der Conti, war 1161 geboren, hatte sich auf den Schulen zu Rom, Paris und Bologna in der Theologie wie in der Jurisprudenz gleich ausgezeichnete Kenntnisse erworben und wurde noch in männlicher Jugend 1198 zum Haupte der Kirche erhoben. Er brachte die geistliche und weltliche Herrschaft Roms auf den höchsten Gipfel. Gleich nach seiner Weihe benutzte er aufs vortheilhafteste die Verwirrung, in welche die kaiserl. Angelegenheiten in Italien durch den Tod Heinrich VI. gebracht worden waren. Der kaiserl. Präfect zu Rom mußte ihm den Huldigungseid schwören und mit Hülfe der unter ihm verbündeten Städte vertrieb er die kaiserl. Lehnsträger aus Italien und nahm ihre Ländereien als lange vorenthaltene Erbgüter des röm. Stuhls in Besitz. In Deutschland hintertrieb er die Wahl des minderjährigen Friedrich II. (ungeachtet derselbe schon vor seiner Taufe zum Nachfolger seines Vaters im Reiche anerkannt worden war), um dadurch die dem eignen Emporstreben gefährliche Verbindung beider Sicilien mit dem deutschen Reiche aufzuheben. Bei der Belehnung Friedrich's mit Sicilien entriß er dem Reiche alle geistlichen Gerechtsame, wurde aber dessenungeachtet von der verwitweten Kaiserin Constantia aus Achtung vor seiner Macht und Rechtschaffenheit zum Vormunde ihres verwaisten Sohnes eingesetzt und während dessen Minderjährigkeit ihm sogar die Regentschaft Siciliens überlassen, die er mit Ernst und Kraft verwaltete. Unter den in Deutschland aufgetretenen Gegenkönigen begünstigte I. Otto IV., einen Sohn Heinrich des Löwen, und krönte ihn 1299 zum Kaiser, unter der Bedingung, daß die Freiheit der kirchlichen Wahlen, die Rechtszuständigkeit aller von der Kirche in Anspruch genommenen Güter und andere Gerechtsame dem Papste überlassen werden müßten. Als Otto gleich nach seiner Krönung dies Alles dem Papste verweigerte, so mußte er dem jungen Hohenstaufen, Friedrich, das Feld räumen, den jetzt der Papst auf den väterlichen Thron rief. Freiwillig oder gezwungen unterwarfen sich auch die übrigen Fürsten Europas seinem Herrscherwillen. Peter II. von Aragonien machte sein Königreich aus Andacht dem h. Petrus zinsbar; dasselbe that Sancho I. von Portugal nach vergeblicher Weigerung. Philipp August von Frankreich, Alfons IX. von Galicien und Leon, Johann von England, alle diese Könige mußten sich unter die Macht des Papstes beugen. Nur der auf seinen Betrieb von Frankreich unternommene Kreuzzug, zu dem er zum großen Theil seine ungeheuren Schätze verwendet hatte, gewährte ihm nicht den gewünschten Erfolg. Er endete 1219 mit der Eroberung Konstantinopels und der Errichtung eines latein. Kaiserthums. Zwar gab sich I. dem Gedanken der Wiedervereinigung der griech. mit der röm. Kirche hin, aber der Schmerz über das verlorene Ziel war größer, als der Schimmer einer Hoffnung, die weder die Sicherheit der neuen Eroberung noch die Zustimmung der Griechen für sich hatte. Um so strenger wachte I. für die Echtheit und Einheit des Kirchenglaubens. Die Albigenser (s.d.) hatten an ihm einen blutigen Verfolger, indem er zuerst die Inquisition (s.d.) gegen die Unglücklichen als Ketzer in Anwendung brachte. An der Schwelle großer Ereignisse und doch auch im Vorgefühle nahen Abschiedes versammelte I. um sich die weltlichen und geistlichen Herrscher der Christenheit auf der Lateransynode 1215 zur Wiedererlangung des h. Landes, zur Ausrottung der Ketzer und zur Sittenverbesserung der Kirche. Ein allgemeiner Gottesfriede wurde geheiligt, um alle Kräfte Europas dem Morgenlande zuzuwenden. Furchtbare Maßregeln gegen die Ketzer wurden beschlossen, die Lehre von der Transsubstantiation (s.d.) dem Kirchenglauben hinzugefügt und die Kirchengesetze für die wichtigsten Rechts- und Disciplinarverhältnisse vermehrt und in alter Strenge erneuert. Auf einer Reise zur Aussöhnung Pisas und Genuas überraschte I. der Tod am 16. Jul. 1216. Seine Wissenschaft wird gerühmt, seine Habsucht getadelt, doch dienten seine Reichthümer seinen Gedanken und standen den Kreuzfahrern wie den Armen offen. Glückliche Verhältnisse hat er mit altrömischer Besonnenheit benutzt, und Rom hat noch einmal durch ihn die gebildete Welt beherrscht. – Bekannt durch den Kampf gegen die Hohenstaufen ist auch Innocenz IV., der 1243 zur Regierung kam, ein stolzer und strenger Mann, welcher die Ketzer verfolgte, viele Schriften hinterließ und 1254 vor Kummer über eine Niederlage starb, welche seinem Heere durch die Partei der Hohenstaufen beigebracht worden war. – Ein redlicher und tüchtiger Mann war Innocenz XI., der 1676 den päpstlichen Stuhl bestieg und Östreich im Türkenkriege mit Geld unterstützte. Unter seiner Regierung erließ 1681 die franz. Geistlichkeit zu Paris jene vier Artikel (vergl. Katholicismus), durch welche das Ansehen des Papstes in Frankreich beschränkt wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 446.
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