Varnhagen von Ense

[555] Varnhagen von Ense (Karl Aug.), preuß. geheimer Legationsrath, geb. 1785 zu Düsseldorf, wo sein Vater pfalzbair. Medicinalrath und Stadtphysikus war, durch die Folgen der franz. Revolution bewogen, sich nach Hamburg wendete und dort 1795 starb. Auch V. wollte in Berlin Medicin studiren, wendete sich aber bald zu philosophischen und literarischen Studien und Arbeiten, gab 1804 mit A. v. Chamisso einen Musenalmanach heraus, zu dem er selbst Beiträge lieferte, und verfolgte später in Hamburg, Halle und Tübingen diese Bestrebungen weiter. Kurz nach Anfang des franz.-östr. Kriegs von 1809 trat er in die östr. Armee, ward nach der Schlacht von Aspern zum Offizier befördert, bei Wagram aber schwer verwundet. Später begleitete er den Prinzen von Bentheim, seinen Obersten, als Adjutant nach Paris (1810) und auf andern Reisen und nahm erst in jener Zeit den ihm durch seine Abkunft zustehenden Familiennamen »von Ense« wieder an, was nachher von der preuß. Regierung auch urkundlich anerkannt wurde. Im J. 1812 verließ V. den östr. Dienst und ging nach Berlin, konnte aber im preuß. Dienste nicht ankommen, folgte daher 1813 dem russ. General Tettenborn als Hauptmann und Adjutant auf dessen Zuge durch das[555] nördl. Deutschland bis nach Paris, wo er in den preuß. Staatsdienst überging und 1814 den Staatskanzler Hardenberg mit zum wiener Congresse begleitete. Im Gefolge desselben ging V. über Berlin, wo er sich verheirathete, auch 1815 nach Paris, von da aber als Geschäftsträger nach Karlsruhe, wo er bald Ministerresident wurde. Im J. 1819 abberufen und in gleicher Eigenschaft nach Washington in Nordamerika bestimmt, zog er es vor, in Berlin ohne amtliche Stellung zu bleiben und hat seitdem hauptsächlich literarischen Zwecken gelebt. Seine Feder hat sich namentlich im biographischen Fache (»Biographische Denkmale«, Hamb. 1824–30, 5 Bde.; »Seydlitz's Leben«, das. 1834; »Winterfeld's Leben«, das. 1835) und in der Schilderung miterlebter Vorgänge und Zustände (»Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften«, 4 Bde., Manh. 1837–39; neue Folge; Lpz. 1840 fg.) den begründetsten Ruf erworben. – Seine Gattin Rahel Antonie Friederike, geborene Levin Marcus, Schwester des Dichters Ludwig Robert, hatte V. schon 1808 kennen lernen. Ausgezeichnete Geistesgaben, entwickelt und bereichert im Umgange mit heimischen und fremden Künstlern, Gelehrten und hochgestellten wie hochgebildeten Personen, machten sie zu einer der geistreichsten und interessantesten Frauen von Berlin. Ihre warme Theilnahme an den Weltereignissen, insbesondere aber an den Schicksalen des Vaterlandes veranlaßte sie, während des Befreiungskriegs eine sehr thätige Rolle als Mitglied des Wohlthätigkeitsvereins zu spielen. Nach ihrer Vermählung folgte sie V. an seine verschiedenen Aufenthaltsorte, bewährte während der Choleraepidemie in Berlin ihre menschenfreundlichen Gesinnungen aufs Neue, obgleich sie seit 1820 selbst sehr kränklich war, und starb 1833. Ihr Gatte gab nach ihrem Ableben einen Theil ihres schriftlichen Nachlasses: »Rahel, ein Buch des Andenkens für ihre Freunde« (Berl. 1834, 3 Bde.), heraus, obgleich sie selbst nichts für den Druck niederschrieb, und ließ die »Galerie von Bildnissen aus Rahel's Umgange« (2 Bde., Lpz. 1836) als Erläuterung und Ergänzung folgen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 555-556.
Lizenz:
Faksimiles:
555 | 556
Kategorien: