Jacobi [1]

[458] Jacobi, Friedr. Heinrich, Philosoph, geb. 1743 zu Düsseldorf, anfangs Kaufmann, dann Hofkammerrath und Zollcommissär von Jülich-Berg. 1779 bayer. Geheimerath, beschäftigte sich in seinen Nebenstunden zu Düsseldorf u. auf seinem Landgute Pempelfort viel mit Philosophie, floh 1794 vor der Revolution nach Hamburg und Eutin, ward 1804 Mitglied, 1807 Präsident der neu errichteten Münchener Akademie und st. 1819. Ein liebenswürdiger Weltmann und Dichter wie sein Bruder Johann Georg, wollte J. niemals ein philosophisches System aufstellen, sondern schrieb geistreiche philosophische Romane (Woldemar, Alwills Briefsammlung), Briefe, Gespräche, in denen er es mit der logischen Ordnung u. Genauigkeit des Ausdruckes nicht gar zu strenge nahm. In den »Briefen über die Lehre des Spinoza« (1785) knüpfte er an die gegen Mendelssohn ausgesprochene Behauptung. G. E. Lessing sei ein Spinozist, die tiefsinnigsten Erörterungen, welche auf die Wahrheiten hinauslaufen, daß 1) der Spinozismus Atheismus und Fatalismus sei; daß ferner 2) jede philosophische Demonstration, welche nur eine reflectirende Vernunft kenne, im Spinozismus d.h. im Atheismus und Fatalismus endigen, und daß man deßhalb 3) dem Demonstrieren eine Gränze setzen und »durch einen salto mortale der menschlichen Vernunft« den Glauben als das Element alles menschlichen Erkennens annehmen müsse. Gegen die Vorwürfe, er verachte die Wissenschaft, [458] sei ein Papist u. dergl. schrieb J. das Gespräch: »David Hume, oder vom Glauben, Idealismus und Realismus« (1787). Er zeigte darin, daß der Glaube kein blinder, auf fremdes Ansehen, sondern auf die innerste Nöthigung des Subjectes sich stützender und das Vermögen sei, welchem sich das Wahre in und über den Erscheinungen in einer den Sinnen und dem Verstande unbegreiflichen Weise offenbare. Der Verstand erkläre, der Vernunftglaube dagegen, vom reinen objectiven Gefühle ausgehend, entscheide unbedingt; der sinnlichen Anschauung entspreche eine rationale und gegen keine von diesen beiden gelte eine Demonstration. J. trennte abstract den Verstand vom Gefühle, wußte aber beide auch nicht in Einklang zu bringen, außer etwa durch ein Wunder; er fand, daß die Klarheiten des Verstandes zwar feste Gestalten, dahinter jedoch einen bodenlosen Abgrund zeigten, während die Klarheiten des Herzens zwar verheißend nach oben leuchteten, aber kein bestimmtes Erkennen gäben. – J. stimmte vielfach mit Kant überein. In der Schrift: »Ueber das Unternehmen des Criticismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen« (1801) vertheidigte er jedoch gegen Kants Theorie der sinnlichen Erkenntniß den Empirismus und zeigt, daß Kant folgerichtig den entschiedensten Idealismus hätte lehren sollen; auch fand er, der Grund, weßhalb die Vernunft die Realität der Ideen theoretisch nicht darzuthun vermöge, liege keineswegs in der mangelhaften Natur unserer Erkenntniß, sondern in der Natur der Ideen selbst. Dagegen gefiel ihm vor allem Kants Kritik des Verstandes und Kants Wegräumen von angeblichen Ideen, die nur Früchte der Reflexion, logische Phantasmata seien. Am Fichtianismus (s. Fichte, J. G.) tadelte er vorzugsweise die atheistische Richtung. den Schellingianismus zeichnete er als umgekehrten u. verklärten Spinozismus, daher Schellings Erwiederung im »Denkmal der Schrift: Von den göttlichen Dingen« (1812). Werke: Leipzig 1812–24, 6 B.; »Auserlesener Briefwechsel« durch F. Roth, Leipz. 1825–27, 2 B.; vgl. Schlichtegroll, Weiller u. Thiersch: »F. H. J. nach seinem Leben. Lehren und Wirken«, Münch. 1819; Fricker, Herm. »die Philosophie des F. H. J., nach Disciplinen bearbeitet und kritisch beleuchtet«, Augsburg 1854.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 458-459.
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